Ausgebrannt oder burn-out? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 7. April 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 7. April 2014 von Paul-Josef Raue in D 11 Verständliche Wörter, Friedhof der Wörter.

Alle reden vom „Burn-out“. Wer nicht Symptome dieser Krankheit spürt, ist nicht von dieser Zeit: Der Alltag und der Beruf, die Gesellschaft und der Kapitalismus machen uns fertig. Wer stöhnt nicht unter der Last? Wer kann es sich überhaupt leisten, nicht zu stöhnen?

Ist Burn-out überhaupt eine  Krankheit? Im großen Buch der 12.000 Diagnosen, das die Weltgesundheits-Organisation herausgibt, fehlt das Burn-out.

Denken wir hier nicht über Erschöpfung und Stress nach, sondern über das Wort, den Anglizismus „Burn-out“; der Duden führt ihn seit gut zehn Jahren und gibt als Schreibweise „das (!) Burn-out“ vor, ersatzweise auch zusammengeschrieben „Burnout“. Wir könnten ein treffendes deutsches Wort dafür finden: ausgebrannt. Das Sprachbild ist stark, reizt unsere Sinne: So wie ein Haus ausbrennt, so brennt die Seele eines Menschen aus. 

Der „Sturm-und-Drang“-Erfinder Friedrich Maximilian Klinger war ein Jugendfreund Goethes, der eine Zeitlang  in Weimar lebte. Er dürfte als erster „ausgebrannt“ für eine Regung unserer Seele, für das Ende einer Liebe,  genutzt haben. In seinem Drama „Der Günstling“, vor gut zwei Jahrhunderten geschrieben,  sagt einer:

Eure Liebe war ein Traum, der um beseelte Schönheit buhlte; Ihr fandet sie verschwunden und Eure Liebe brannte aus.

Doch „ausgebrannt“ machte keine Karriere in unserer Sprache. So ließen wir „Burn-out“ einwandern:

> In den USA schrieb Graham Greene in den sechziger Jahren die Aussteiger-Geschichte_ „Ein ausgebrannter Fall“ (A burnt-out case). Ein Kirchen-Architekt ist seiner Arbeit und seines Lebens überdrüssig und wandert nach Afrika aus.
> In den achtziger Jahren der USA galt „A burn-out“ auch nicht als Krankheit, sondern als Lebensmotto: Junge Rebellen und Aussteiger wollten lieber kurz brennen, als ein langes langweiliges Leben führen.

Der Sänger Neil Young schrieb die Hymne der brennenden Generation: Besser ist es zu verbrennen als langsam zu verblassen  („It’s better to burn out than to fade away“). Kurt Cobain, der Kult-Rebell, schrieb vor genau zwanzig Jahren diese Zeile in seinen Abschiedsbrief und erschoss sich mit einer Schrotflinte.

Kolumne „Friedhof der Wörter“ in Thüringer Allgemeine 7. April 2014 (redigierte Fassung)

Das Greene-Buch „Ein ausgebrannter Fall“ ist als dtv-Taschenbuch auf dem Markt.
Neil Youngs Lied ist „My my – Hey hey“

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