Papst und Mohammed: Wie viel Beleidigung ist erlaubt?

Geschrieben am 28. September 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 28. September 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

Wie geht Deutschland mit Beleidigungen um, die fromme Menschen treffen – ob Mohammed oder Papst? Der Presserat rügt.

182 Beschwerden lagen dem Presserat vor zum Titelbild der Titanic, auf dem Papst Benedikt XVI. in gelb befleckter Soutane als inkontinent und mit Fäkalien beschmiert zu sehen ist; die Überschrift lautet: „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!“ Auf der Rückseite der Zeitschrift ist der Papst mit braun befleckter Soutane zu sehen.

Der Presserat rügt: Entwürdigend und ehrverletzend und beruft sich auf Ziffer 9 des Pressekodex:

Schutz der Ehre
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Die Begründung des Presserats:

Zwar hat Satire die Freiheit, Kritik an gesellschaftlichen Vorgängen mit den ihr eigenen Stilmitteln wie Übertreibung und Ironie darzustellen. Im vorliegenden Fall wurde die Grenze der Meinungsfreiheit jedoch überschritten. Das Gremium sah keinen Sachbezug zur Rolle des Papstes in der „Vatileaks“-Affäre gegeben. Die Person Joseph Ratzinger wird von Titanic als „undichte Stelle“ tituliert und durch die befleckte Soutane der Lächerlichkeit preis gegeben. Dies ist nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Auch Leser von Zeitungen zürnen und plädieren in der Thüringer Allgemeine für eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit:

Die geplante Veröffentlichung eines Anti-Islam-Videos und von Mohammed-Karikaturen ist kein Beitrag für ein friedliches Nebeneinander von Volksgruppen mit unterschiedlicher Religion. Immerhin gehört der Islam nun auch zu Deutschland. Mit Meinungs- und Redefreiheit ist eine derartige Beleidigung und verletzende Provokation wohl kaum zu begründen.

Das bereits lädierte Ansehen der westlichen Welt im islamischen Raum muss nicht noch weiter geschädigt werden. Medien, die diese o.g. Veröffentlichung vornehmen, sollten für entstehende Kosten (z.B. für Polizeieinsätze) und Schäden infolge von Gegendemonstrationen haftbar gemacht werden.

TA-Chefredakteur Paul-Josef Raue (und Autor dieses Blogs) antwortet:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich als allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

So beginnt der Artikel 5 unseres Grundgesetzes, in dem das wohl bedeutendste Freiheits-Recht der Menschen zementiert wird. Geschrieben wurde das Grundgesetz nach den Erfahrungen der Nazi-Diktatur, die bestimmte, was die Menschen zu sagen, zu lesen und zu sehen hatten.

Auch arabischen Staaten, auch die meisten Diktaturen haben die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ unterschrieben; dort lesen wir in Artikel 19:

„Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

„Ich lass mir den Mund nicht verbieten!“ Das war der Antrieb für viele Menschen in der DDR, einen besseren Staat und eine bessere Verfassung zu fordern – eben für die Freiheit einzutreten, wenn man die Grenzen achtet, etwa zum Schutz der Jugendschutz oder der persönlichen Ehre.

Wir dürfen uns die Freiheit nicht nehmen lassen von Staaten, in denen Freiheit kein hoher Wert ist und in denen die Bürger eben keine Meinungs- und erst recht keine Pressefreiheit genießen. Wen außer uns sollten sich Menschen zum Vorbild nehmen, die staatliche oder religiöse Bevormundung leid sind?

Aufgeklärte Menschen können auch mit Beleidigung der Religion umgehen – ohne zu zündeln und zu toben. Wie viel Antipathie schlug beispielsweise dem Papst vor seinem Besuch in Thüringen entgegen.

Wir haben alle Meinungen, auch extreme, in der Zeitung veröffentlicht, wir haben Meinungen aufeinander prallen lassen, wir haben darüber heftig debattiert wie zivilisierte und tolerante Bürger, die den Schutz einer der besten und freiesten Verfassungen genießen.

Diese Verfassung sollten wir nicht lädieren lassen, erst recht nicht von Machthabern und Demagogen, die ihr Volk dumm halten und aufwiegeln.(TA, 29.9.2012)

(zu: Handbuch-Kapitel 38 Die Satire + 49 Wie Journalisten entscheiden sollten + Service B Medien-Kodizes)

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