Vom Irrsinn der Anglizismen: Warum darf das „Nordlicht“ nicht Nordlicht heißen? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 8. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 8. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Die Zeit vor Weihnachten ist Lichterzeit – vor allem im Norden, wo die Sonne selten scheint, in manchen Gegenden gar nicht, und die Nebel die Welt verhüllen. Es ist kalt, und wir brauchen das Licht, um nicht in Schwermut zu fallen.

Das hat sich auch das Rundfunkt-Sinfonieorchester des MDR gedacht und ein Lichter-Festival gestartet. Wenn die Sonne hinterm Horizont verschwindet, schickt sie in den Norden ihre Winde und elektrisch geladene Teilchen zaubern am Himmel ein Spektakel in grün und rot und violett und blau: Das Nordlicht.

Doch die Verächter der deutschen Sprache im MDR scheuen das schöne Wort, wollen kein Licht ins Dunkel bringen und nennen ihr Festival: „Northern Lights“. Nun ist das Nordlicht in England recht selten zu sehen, so dass – logisch gesehen – das norwegische Wort, ein schönes zudem, sinnvoll wäre: Nordlys; oder das zungenbrecherische finnländische: Revontulet.

Überhaupt schämt sich das Orchester der deutschen Sprache, wie sie in Erfurt und Bitterfeld geschätzt wird. „Go North“, gen Norden, ist das Motto über die vier Jahreszeiten-Festivals; den „Northern Lights“ folgt das eisige „Ice Festival“, im Frühjahr das „Spring Festival“ und im Sommer das „Midsummer Festival“.

Ein englischer Rundfunk-Moderator käme nie auf die Idee, ein deutsches Orchester oder Musikstück mit seinem deutschen Namen zu nennen: Aus München wird „Munich“, aus Bachs Leipziger Orgel-Chorälen werden „Organ Chorales from the Leipzig Manuscripts“.

Bei „MDR-Figaro“, dem Sender für die besseren Hörer, brechen sich die Moderatoren fast die Zunge, wenn sie das Londoner „Orchestra of the Age of Enlightenment“ ankündigen. Ich möchte wetten: Mindestens zwei Drittel der Hörer versteht nicht, dass das „Orchester der Zeit der Aufklärung“ zu hören ist, übrigens meist mit Musik deutscher Komponisten.

Und für unsere jungen Leser sei die sächsische Musikgruppe Silbermond erwähnt: Sie singt deutsche Texte – wie die „Krieges des Lichts“ – aber nennt ihre neue CD: „Das Best of“. Wie wäre es mit „Das Beste“ – oder gleich „Aufgewärmt“, weil doch nur zu hören ist, was längst bekannt.

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 8. Dezember 2014

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