Der Boulevard im Feuilleton: Ist Wulff grauer geworden?

Geschrieben am 24. November 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 24. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lexikon unbrauchbarer Wörter.

Christian Wulff spricht wieder, öffentlich. Die großen Zeitungen sind dabei, die Zeitungen, die sich Qualitätsmedien nennen. Was er in der Alten Aula der Heidelberger Uni sagt, wird nur am Rande erwähnt.

Das Feuilleton wird zum Boulevard. Der Ex-Präsident hat, beobachtet Jan Wiele in der FAZ, eine neue Brille, randlos „wie in der Zeit vor der Katastrophe“, er ist sichtlich schmaler geworden – und er ist ein bisschen grauer (Anzug und Haare).

In der Welt hat Ulrich Exner den anderen Blick, den Anti-Blick: Wulff wirkt nicht ausgezehrt, nicht so verhärmt; und er bekennt sich zu seiner Scham – für die Mordserie des NSU.

Auch Exner sucht das Graue an Wulff: Dunkelgraue Hose, graues Jackett und graue Krawatte. Und die Haare? Da spielt Exner mit seiner Reporter-Rolle:

Sind da vielleicht ein paar mehr graue Haare? Man kann sich auch lächerlich machen als Beobachter. Christian Wulff sieht ziemlich genau so aus, wie Christian Wulff immer ausgesehen hat.

Ein Lob für die Reporter, der sich selbst mit leiser Ironie beobachten kann!

Ironisch wird auch Jan Wiele in der FAZ: Er nennt Wulffs Rede „postinformativ“; und er legt seine Bibel-Kenntnisse offen und schreibt „wahrlich“ in einer kommentierenden Anmerkung zu Wulffs Honorar, das dieser nicht bekommen hat.

Oder meint er es wahrlich ernst, weil es im Feuilleton steht, dem postinformativen Feuilleton?

(FAZ 23.11.2012 „Der Anfang nach dem ende ist schnell gemacht“ + Welt 23.11.2012 „Der neue alte Wulff“)

(zu: Handbuch-Kapitel 32-33 Die Reportage + 16 Lexikon unbrauchbarer Wörter)

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