„Der Präsident verträgt keine Austern“

Geschrieben am 3. Juni 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 3. Juni 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, PR & Pressestellen, Recherche.

Wer systematisch kritische Fragen abwehrt, bekommt vom „Netzwerk Recherche“ als vergifteten Preis die „verschlossene Auster“. Die Fifa bekommt ihn in diesem Jahr, nahm ihn an, aber nicht entgegen. „Ich wäre gerne zur Veranstaltung gekommen, da ich Austern mag, aber ich bin zurzeit in Brasilien“, schrieb Fifa-Kommunikationsdirektor Walter De Gregorio. Und weil er zumindest schön formuliert, noch einige Gregorio-Sätze:

Der Präsident selber verträgt keine Meeresfrüchte, zudem ist seine Agenda proppenvoll. Grundsätzlich glaube ich, dass Sie zu spät sind mit der Auszeichnung. Die Auster hat sich inzwischen geöffnet. Es geht in der Regel eine Weile, bis auch Recherchierjournalisten das merken. Die Austern im Kopf bleiben oft über das Verfalldatum hinaus geschlossen.

In der Pressemitteilung von „Netzwerk Recherche“ wird die Preisvergabe so begründet:

„Die FIFA hat in den vergangenen Jahren alle Versuche kritischer Journalisten, über Korruption und Ungereimtheiten bei der Postenvergabe zu recherchieren abgeblockt“, sagte Oliver Schröm, Vorsitzender von netzwerk recherche, zur Jurybegründung. „Gerichtsverfahren werden gegen Millionenzahlungen der FIFA eingestellt, gegen eine Offenlegung der entsprechenden Gerichtsbeschlüsse wehrt sich Blatter weiter mit allen Mitteln.“

Das bestätigte bei der Jahrestagung von netzwerk recherche auch der Laudator der verschlossenen Auster, der ehemalige FIFA-Mitarbeiter und heutige Schweizer Nationalrat Roland Büchel. Selbst die bereits vor vier Jahren gerichtsfest bewiesenen Schmiergeldzahlungen von mehr als 140 Millionen Franken, die zu einem großen Teil an die Spitzenfunktionäre der FIFA gingen, hätten an Blatters Selbstverständnis nicht viel geändert. „Dass dieser von Demokratie nicht viel hält, ist augenscheinlich“, so Büchel. Als Beispiel nannte Büchel das weiterhin völlig intransparente System von Löhnen, Aufwandsentschädigungen und Boni bei der FIFA. „Im letzten Jahr schüttete die FIFA 96,8 Millionen Dollar an Löhnen, Zahlungen an Ehrenamtliche und Boni aus – nicht übel für einen nicht gewinnorientierten Verein mit extremen steuerlichen Privilegien und einem ideellen Zweck“, so Büchel. Anstatt kritische Medien-Anfragen zu diesem Thema zu beantworten, belohne die FIFA lieber positive Berichterstattung.

(zu: Handbuch-Kapitel 17 „Die eigene Recherche“)

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