Der Speisewagen wird zum gastronomischen Service (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 23. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

„Ein Kauderwelsch aus Namen und Begriffen – wild aneinandergereiht.“ Ein Leser zählte 16 Substantive auf, von „Franziskus“ bis „Fußballgott (totale Entgleisung)“ und beschwerte sich vehement über den Franziskus-„Friedhof“, erschienen kurz nach der Papstwahl.

Er hat Recht: So stark Hauptwörter auch sind, so schwer und unerfreulich wirken sie, wenn sie massenhaft auftreten. Deshalb greife ich heute ein einfaches Thema auf: Der Zugbegleiter im ICE.

Luthers schaute dem Volk aufs Maul. Das sollte auch ein „Zugbegleiter“ beherzigen, dem wir seinen schönen neuen Titel gönnen; den „Schaffner“, obwohl kürzer und netter, begraben wir auf dem Friedhof der Wörter.

Über den Zug-Lautsprecher begrüßt der Zugbegleiter seine Fahrgäste, „die zugestiegen sind“, und weist sie auf den „gastronomischen Service“ hin. Er meint das Restaurant und das Bistro. Warum weist er nicht auf „Restaurant und Bistro“ hin? Ein Leser erinnerte auch noch an den „Speisewagen“, der sich langsam dem Friedhof der Wörter nähert.

„Gastronomischer Service“ ist ein abstrakter, ein kühler Begriff. „Restaurant“ zeichnet in unserem Gehirn ein Bild, für die meisten ein angenehmes Bild mit warmen Farben; noch detaillierter ist das Bild des Speisewagens.

Wörter, die Bilder zeichnen, sind Wörtern überlegen, die im Kühlschrank unseres Gehirns abgelegt werden.

„Gastronomischer Service“ besteht zwar nur aus zwei Wörtern, aber bildet mehr Silben als „Restaurant und Bistro“ und ist deutlich länger als der „Speisewagen“. Es spricht also nichts für den Service – außer dem Rat der Deutschlehrerin, Wörter nicht zu wiederholen und Synonyme zu suchen.

3 Kommentare

  • Ich ergreife ausnahmsweise mal Partei für die Bahn. Der „gastronomische Service“ ist mir durchaus verständlich. Es geht nach meinen Erfahrungen nämlich nicht nur um Bistro- oder Speisewagenbesuche, es geht auch um den Schaffner, der den Kaffee oder andere Getränke und Speisen auf Bestellung an den Platz des Reisenden im Zug bringt. Diesem dienstbaren Geist möchte ich den Friedhof der Wörter ersparen.
    Gruß Anton Sahlender

    • So spricht der 1.-Klasse-Fahrer: Nur dort bringt der Schaffner (pardon: Zugbegleiter) den Kaffee und das Weißbier an den Platz. Die Durchsage ist jedoch für alle, also vor allem für die 2. Klasse – denn dort sitzen die meisten, die sich den Kaffee selber holen müssen, manchmal durch fünf, sechs Wagen und über viele Koffer mitten im Gang. Also, ich bleibe beim Speisewagen und beim Schaffner, der in der 1.Klasse am Platz bedient.
      Gruß aus Nepal, wo es keinen Zug, keine Bahn und keine Speisewagen gibt.

      • Hmmh, Wörter, die nur für die erste Klasse gelten, die müssen also auf den Friedhof… Da wird die erste Klasse bald sprachlos werden. Ach ja, auch in der 2.Klasse habe ich schon erstklassige Brezel- und Getränkeverkäufer erlebt. Wie dem auch sei, ich hoffe, dass der Wörterfriedhof am Ende nicht größer ist als die Zahl der sprachlich lebendigen Wörter. – Lieber Paul, geniese Nepals Kultur und lasse dich von mir nicht aus der Ruhe bringen. Schöne Grüße

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