Ein Lob für Goethes Schwalbe! Die Sprache der WM-Reporter wird friedlicher (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 7. Juli 2014 von Paul-Josef Raue.

Was für eine Granate!
Das war der entscheidende Treffer!
Die Abwehr steht wie ein unüberwindbares Bollwerk!

So sprechen nicht nur Offiziere auf einem Truppenübungs-Platz, so sprechen auch TV-Kommentatoren bei der Fußball-Weltmeisterschaft.

Sportjournalisten leihen gerne ihre Sprachbilder bei der kämpfenden Truppe aus: Der Mitspieler ist der Gegner, und jedes Spiel ist eine Entscheidungs-Schlacht. Wäre es nicht sinnvoll, vor dem Spiel gegen Brasilien ein Banner zu zeigen: „Sagt Nein zu Kriegs-Metaphern!“ – nach dem Vorbild des Banners vor dem Frankreich-Spiel „Say no to Racism“ (Sagt Nein zu Rassismus)?

Zur Ehrenrettung der Sportreporter sei jedoch angefügt: Vor einigen Jahrzehnten waren die Bilder vom Krieg und vom Lärm der Schlachten noch übermächtig; heute verschwinden sie gemächlich aus dem Wortschatz der Sportjournalisten, in deren Reihen sich offenbar mehr Friedensfreunde tummeln als Leutnants.

Sportjournalisten werden sogar poetisch. Der Fußballer, der sich theatralisch fallen lässt, wird zur Schwalbe. Warum eine Schwalbe? Goethe besang sie in einem Liebesgedicht zum März als Lügenvogel, und das blieb offenbar hängen:

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem falschen Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein!

So gibt es bei der Weltmeisterschaft astreine und falsche, hanebüchene und theatralische, hinterlistige und lupenreine Schwalben, es gibt Schwalben-Könige, Schutz-Schwalben und den Schwalben-Robben.

Lasst uns die Schwalbe in unsere Sprache nehmen! Welch herrliches Bild für jemanden, der trickst und täuscht, um so anderen zu schaden. Einen Chef einen „Schwalben-Chef“ zu nennen, hätte keine arbeitsrechtlichen Folgen. Aber alle wüssten Bescheid!

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Thüringer Allgemeine
, Friedhof der Wörter, 7. Juli 2014

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