Neue Bilder braucht der Redakteur!

Geschrieben am 14. Juli 2012 von Paul-Josef Raue.

„Thomas Hollande bemerkt gerade, wie schwierig es ist, ein Feuer auszutreten, wenn man zuvor mit den Schuhen durch eine Benzinlache gelaufen ist.“ Das ist ein neues Bild, ein überraschendes, das sich Sascha Lehnartz hat einfallen lassen (Die Welt, 13. Juli 2012 „Fehlstark für Hollande“).

Ein gutes Sprachbild produziert in unserem Kopf einen Kurzfilm; ein schlechtes verwirrt und führt zum Filmriss, so dass der Leser aufhört, den Artikel weiter zu lesen; ein abgenutztes Bild langweilt, der Film wackelt, wird unscharf.

Abgenutzte und schlechte findet der Leser auch in der Freitag-Ausgabe der Welt in vielen ersten Sätzen:

  • „Das neue Meldegesetz hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst“ (als ob man Stürme „auslösen“ kann, sie brechen über einen herein und verwüsten); 
  • „Hamid traute seinen Augen kaum“; 
  • „Gemessen an der Aufregung, die es verursacht hat, ist das Papier erstaunlich dünn“ (dabei schreibt  die Autorin nicht von feinem Bibelpapier, sondern einer Broschüre, die nur acht Seiten umfasst);
  • „Die Löcherstopfer sind unterwegs“ (illustriert wird der Satz mit Fischen, die Steuereinnahmen auffressen).

Ein abgenutztes Bild nennen wir gern: ein Klischee. Aber auch dies ist ein abgenutztes Bild. Fragen Sie mal einen Volontär, ob er noch ein wirkliches Klischee kennt?

Wer hat ein neues Sprachbild entdeckt? Oder mehrere, die die Sinne erfreuen?

(zu: Handbuch-Kapitel 16 „Lexikon unbrauchbarer Wörter“ + Register „Metapher“)

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