Noske-Interview „Journalismus – Was man wissen muss“

Geschrieben am 14. Februar 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 14. Februar 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Ausbildung, Lokaljournalismus, Presserecht & Ethik.

Paul-Josef Raue sprach mit Henning Noske über ein „Lehr- und Lernbuch“, das er gerade  herausgegeben hat: „Journalismus. Was man wissen und können muss“ (Klartext Verlag, Essen, 234 Seiten, 17.95 Euro).  Noske, Jahrgang 1959,  ist Lokalchef Braunschweig der „Braunschweiger Zeitung“ und Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Braunschweig.

Raue: Es gibt zwei große Bücher über den Journalismus in unserer Zeit, die sich auch in Ihrer Handbibliothek finden: Den La-Roche und, ohne Bescheidenheit, „Das neue Handbuch des Journalismus“. Was treibt den Redakteur einer Regionalzeitung an, noch ein Journalismus-Buch zu schreiben – statt an einer Serie, die den nächsten Preis holt?

Noske: Ich würde noch „Die Reportage“ von Michael Haller hinzufügen. Mein Buch setzt setzt aber ganz anders an als diese „Klassiker“. Und zwar bei vielen Fragen, die nicht nur ganz am Anfang stehen, sondern noch vor dem Anfang:
– Welche Haltung müssen Journalisten haben?
– Wie engagiert müssen sie sein?
– Welche Tugenden braucht man denn eigentlich, um Themen zu finden, gründlich zu recherchieren – und möglichst wenige Fehler zu machen?
– Warum will ich das eigentlich machen?

Entstanden ist mein Projekt aus Seminaren mit unzähligen Studenten, bei dem ich mich selbst immer gefragt habe: Warum ist Journalist bloß ein Traumberuf für die? Umgekehrt kam nach meinem aufrüttelnden Tugend- und-Themen-Tremolo oft die Frage auf: Kann man das so eindrucksvoll nicht mal nachlesen?

Raue: Sie arbeiten bei einer großen Zeitung, die das Lokale schätzt. Nicht wenige sagen: Der arbeitet in der Provinz – und lächeln leicht. Kränkt Sie das?

Noske:  So wenig wie Sie. Daraus erwächst gerade mein Selbstbewusstsein. Es ist – mit Verlaub – nicht der leichteste Job, den wir in der „Provinz“ tun. Aber im Journalismus der wichtigste. Schon der Begriff Provinz ist seit jeher blödsinnig, denn er qualifiziert die normalen Leute ab. Es ist ein Begriff, mit dem schon immer das Entrücktsein einer Kaste von Eingebildeten verknüpft war. Hoffentlich sind nicht so viele Journalisten dabei. Denn sie sollen direkt neben den Leuten sitzen und das echte Leben aufspüren. Davon handelt mein Buch.

Raue: Was haben Sie in Ihr Buch genommen, was in den anderen Büchern fehlt?

Noske: Die Kapitel über das Schreiben und die Präsentation sind zentral und dann eben sehr praxisorientiert.

Wie anfangen? Mit konkreten Beispielen. Dranbleiben, Übergänge, Tricks für einen eigenen Stil. Mit konkreten Beispielen. Wie versetzt man sich in den Leser hinein? Wie packt man ihn. Zum Beispiel mit einer ganz einfachen Dreifingerregel: Reizen – Informieren – Unterhalten.

Wie bastelt man wirklich eine gute Überschrift? Hier findet man mal einen richtigen Baukasten.

Und was heißt eigentlich „Augenhöhe“ wirklich, von der immer die Rede ist? Da war mal eine kleine Psychologie unseres Lesers fällig.

Und ein eigenes großes Kapitel nur über Fehler und Fehler-Vermeidung? Dazu gehört das Eingeständnis, dass wir täglich regelmäßig Fehler produzieren. Ich zeige: So kriegen wir sie weg.

Raue: Legen Sie Ihre mal Ihre Bescheidenheit beiseite: Warum sollen junge Leute Ihr Buch lesen?

Noske: Wenn es um den Berufswunsch geht, hören wir doch immer wieder: Irgendwas mit Journalismus! Unser Beruf hat immer noch eine magische Anziehungskraft. Und das ist auch gut so. Doch in der Praxis sehen wir ja doch oft auch, wie sehr Vorstellung, Anspruch und Wirklichkeit immer mehr auseinanderklaffen. Dazu gehören ja immer zwei. Da ist die Zeitung beziehungsweise der Verlag, der einen Rund-um-die-Uhr-Job mit viel Stress, Routine und ungesunder Lebensweise zu bieten hat. Und da sind junge Leute, die eben zunehmend auch manches an Einstellung und Qualitäten mitbringen müssen.

Wer rauskriegen will, ob das also wirklich etwas für ihn ist, der sollte mein Buch lesen. In aller Bescheidenheit: Das konnte man bislang noch nirgendwo so gut lesen.

Raue: Sie haben seit Jahren einen Lehrauftrag an der Braunschweiger Universität. Sie entdecken immer wieder Talente, fördern sie. Welche Erfahrungen mit den Studenten sind in Ihr Buch geflossen?

Noske: Das knüpft an das eben Gesagte an. Mir geht es darum, die Leute auch wirklich zu finden, die wir meinen und die wir brauchen. Es gibt sie nicht wie Sand am Meer. Am Ende sind es tatsächlich Talente, die wir entdecken müssen. Wie sie dazu geworden sind, wissen wir nicht wirklich. Sie lesen viel, schreiben tatsächlich zum Spaß, pflegen vielfältige Kontakte, haben was zu sagen, eigene Hobbys, Projekte, eine eigene Haltung.

Ich habe immer gedacht: Das kann ich doch keinem jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren mehr beibringen. Ich habe mich geirrt. Ein schöner kleiner Werkzeugkasten mit dem nötigen Handwerkszeug und den richtigen Tipps kann zumindest manchmal Wunder wirken. Die Studenten haben sich im Zuge von Bachelor und Master stark verändert: Sie wollen an die Hand genommen werden, warten ab, was ihnen geboten wird. Das nervt, aber es lehrt auch, die Flinte nicht zu früh ins Korn zu werfen.

Raue: Und warum sollten Ihre Kollegen und andere Journalisten Ihr Buch lesen?

Noske: Weil wir uns immer an den Zauber des Anfangs erinnern müssen! Weil wir uns vergewissern müssen, wie weit wir uns möglicherweise von unserem Ideal entfernt haben. Eine Kollegin in der Redaktion hat mir nach der Lektüre meines Buches gesagt: Schön und gut, ich habe es gern gelesen – aber ich komme nicht dazu, so zu arbeiten. Dieser Satz ist wahr, er ist ehrlich. Und er ist Sprengstoff für Redaktionen.

Warum schaffen wir es oft nicht, unsere Träume vom Journalismus im täglichen Redaktionsalltag zu verwirklichen. Und warum tun wir es nicht endlich, verdammt nochmal? Darum habe ich das Buch auch für meine Kollegen geschrieben. Es können nicht nur Anfänger lesen, sondern auch gestandene Redakteure. Mit einer Bedingung: Ich bin scharf auf ihre Reaktionen. Ich will die Diskussion.

Der zweite und dritte Teil des Interviews folgt: Teil 2 – Teil 3

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