Politiker im Bann ihrer Deutschlehrerinnen (Friedhof der Wörter)
Warum sagt eine Ministerpräsidentin: „Es gibt viel zu tun in diesem Land?“, fragt ein Leser. Warum überhaupt sprechen unsere Politiker von „diesem Land“?
Dem Leser platzt der Kragen, wenn er’s liest. „Ich kann diese unsinnige Umschreibung von meinem Vaterland nicht mehr hören. Ich lebe in Deutschland und will, dass dieses wunderbare Land beim Namen genannt wird.“
Recht hat er – auch wenn er zu hart mit unseren Politikern ins Gericht geht. Viele Politiker haben schwache Redenschreiber – und können einfach ihre Deutschlehrerin nicht vergessen.
Schrieben sie, jung und demütig, zweimal „Deutschland“ im Klassen-Aufsatz, nahm die Lehrerin den roten Stift und verhängte einen Ausdrucks-Fehler; im Wiederholungsfall rutschte sogar die Note in den Keller. Wer so erzogen ist: „Wechsle den Ausdruck!“, dem geht „Deutschland“ nur noch einmal über die Lippen.
Erfunden hat „dieses Land“ Ex-Kanzler Kohl, der sich im Überschwang der nationalen Gefühle bisweilen zu „in diesem unseren Land“ aufschwang. In der letzten Sitzung des Bundestags in Bonn sprach er lang, sprach oft von „unserem Land“, aber auch zwei Dutzend Mal von „Deutschland“.
Warum er auf das dritte Dutzend „Deutschland“ verzichtet hat? Das Stirnrunzeln seiner Deutschlehrerin vergisst auch ein Kanzler nicht; und so suchte er verzweifelt nach „sinnverwandten Wörtern“.
Plagen heute immer noch die Deutschlehrerinnen ihre Schüler mit „Wechsle den Ausdruck!“?
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