Vom „Dönermord“ zum „Neonazi-Mord“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 17. Januar 2012 von Paul-Josef Raue.

In der TA (Thüringer Allgemeine)-Kolumne „Friedhof der Wörter“ stand dieser Text am 5. Dezember:

Der „Dönermord“ wird das Unwort des Jahres, so fürchte ich.

Es ist ein grässliches Wort, spätestens, wenn aus dem Dönermord ein Dönermörder wird. Es ist ein Unwort, wenn man die wahren Täter kennt. Doch viele sprachen vom „Dönermord“, als der Abgrund des braunen Landesverrats nicht offen vor uns lag. Wer widersprach damals?

Sicher hätte uns auffallen können, dass der „Dönermord“ die Gewalt verniedlicht oder sogar verachtend gemeint war, dass wir jedem kleinen Döner-Griller Mafia-Verbindungen unterstellten oder, wie die Polizei argwöhnte, ein Banden-Mord wahrscheinlich sei. Da ließen wir schon deutsche Arroganz spüren, als wir das Wort prägten und nutzten. Vom Vorurteil zur Fremdenfeindlichkeit ist ein gerader Weg, den wir zuerst mit Worten gehen – oder wieder verlassen.

Gleichwohl ist die Selbstgerechtigkeit derer, die auf die „Dönermord“-Erfinder zeigen, unaufrichtig. Über Wörter sollen wir sprechen, wir müssen erklären, wie der Untergrund der Wörter beschaffen ist. Wer mit Wörtern richten will statt aufzuklären, der baut mit Sprache keine Brücken der Verständigung, sondern reißt sie ab.

Solange wir über die Wörter streiten, verhindern wir das Schlimmste. Der „Dönermord“ gehört heute, da wir die Täter kennen, auf den Friedhof der Wörter. Wir wissen es genau: Es sind Neonazi-Morde − und die Opfer waren Menschen, die ermordet wurden, weil sie Fremde waren.

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