Wer ist ein Rabauke? (Ein „Friedhof der Wörter“ zur Freiheit von Meinung und Presse)

Geschrieben am 1. Juni 2015 von Paul-Josef Raue.

Was Franz Beckenbauer in Deutschland ist, war der Trainer Luis Aragones in Spanien: Eine Fußball-Legende, vier Mal Meister, vier Mal Pokalsieger – und mit der Nationalelf Europameister durch einen Final-Sieg gegen Deutschland.

Als er vor gut einem Jahr starb, schrieb die Deutsche-Presseagentur: „Für die einen galt er als Rabauke, für die anderen als Kauz – geliebt haben sie ihn fast alle in Spanien“.

Als der Gewerkschafts-Führer Weselsky vor Pfingsten zum neunten Streik aufrief, nannte ihn die Börsen-Zeitung einen Rabauken. Eine Beleidigung?

Die Lexika sehen in einem Rabauken einen Rüpel, die Wörterbücher verweisen auf den Ursprung: „Rabau“, der Schurke, im Niederdeutschen; „Ribaud“, der Lotterbube, im Französischen und „Ribaldus“, der Landstreicher, im Lateinischen. Rabauke – eine Beleidigung?

Nein, ein Wort aus der Umgangssprache, nicht gerade zärtlich gemeint, aber weit entfernt von einer Beleidigung. Der CDU-Fraktions-Chef in Mecklenburg sieht das ähnlich: Kein Begriff mit beleidigendem Inhalt.

Die Politiker in Mecklenburg haben einen Grund, sich über Rabauken Gedanken zu machen: Sie schütteln, durch alle Fraktionen, den Kopf über eine Amtsrichterin in Pasewalk, die einen Reporter des Nordkurier zu 1000 Euro Geldstrafe verurteilt hat – weil er einen Jäger einen Rabauken nannte.

Der Jäger hatte ein totes Reh an die Anhänger-Kupplung seines Wagens gehängt und über die Bundesstraße gezogen. Als das Foto im Internet auftauchte, empörten sich viele.

Der Jäger empörte sich, als Rabauke tituliert zu werden, erstattete Anzeige und bekam Recht: Ein Kind könne man noch als Rabauke betiteln, urteilte die Richterin, ein Erwachsener müsse sich eine solche pfeffrige und scharfe Formulierung nicht gefallen lassen. Das ließ sich der Chefredakteur des Nordkurier nicht gefallen:

Die Meinungs- und Pressefreiheit „schert offenbar weder einen sich im Gerichtssaal mit Schaum vor dem Mund über die Presse ereifernden Staatsanwalt noch seine Erfüllungsgehilfin am Richtertisch“.

Jetzt empörte sich der Staatsanwalt – und erstattete Anzeige. Wer ist nun der Rabauke?

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 1. Juni 2015

 

 

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