Wolf Schneider: Drei goldene Regeln für Redner (Luther-Disput 3)

Geschrieben am 22. Januar 2014 von Paul-Josef Raue.

Im dritten Teil des Luther-Disputs geht es um die Predigten der Pfarrer. „Ich habe meine undankbaren Jünger Reden gelehrt“, sagte Luther einmal. Aber können das Pfarrer heute noch? So sprechen, wie es Luther tat und lehrte? Wolf Schneider gibt drei goldene Tipps für Redner und Prediger:

• Lasst die üblichen Gemeinplätze weg!
• Lasst die Fremdwörter und schrecklichen Adjektive weg – womit ihr die Sprache entlutherisiert.
• Gebt euch Mühe, Interessantes zu sagen!

Felix Leibrock:
Es gibt einen allgemeinen Verfall der öffentlichen Rede. Es fehlt der Mut zur klaren Aussage.

Das halte ich für ein gesellschaftliches Problem, weil wir so viel Zeit, so viel Energie verschwenden in Veranstaltungen, die uns wenig bringen. Deswegen mein Plädoyer für die freie Rede, für das gewagte Wort und für die Freiheit, etwas zu sagen, was falsch ist.

Vielleicht weiß Herr Schneider, wie wir das wieder hinbekommen?

Schneider:
Appelle wie „Werdet besser!“ helfen wenig. Viele Predigten sind trostlos. Ich habe im Auftrag der evangelischen Kirche Sachsen-Anhalt viele evangelische Texte und Predigten analysiert. Positiv aufgefallen sind mir nur ein paar Sätze von Margot Käßmann – zum Beispiel: „In Afghanistan ist gar nichts gut.“ Ich bin nicht ihrer Meinung, aber das ist klar und prägnant. Sonst ist kaum Besserung erkennbar.

Leibrock:
Vor so klaren Aussagen wie der von Margot Käßmann scheuen wir uns. Wir sagten lieber: „Die Situation in Afghanistan ist differenziert zu sehen.“

Wenn es um klare Worte geht, ist auch der neue Papst zu loben. In der Schrift „Evangelii Gaudium“ schreibt er:

„Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht.“

Schneider:
Oder er schreibt: „Die Kirche ist keine Zollstation. Sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit einem mühevollen Leben.“ Der Papst ist so gut, wie es Luther mal war.

Leibrock:
Ja, das sind Sätze, die verstehe ich sofort. Und andere Menschen auch. Ich habe den ersten evangelischen Papst-Franziskus-Fanklub gegründet…

Schneider:
In jeder Kirche sollte ein Plakat hängen: Wollt ihr wirklich schlechter sein als der Papst? Keinem Prediger, keinem Bischof ist es versagt, sich in klaren Sätzen zu äußern.

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FELIX LEIBROCK leitet die Evangelische Akademie in München, war Pfarrer in Apolda (Thüringen) und ist Autor des Romans „Luthers Kreuzfahrt“ mit dem ersten deutschen Sauna-Seelsorger Wolle Luther, der auf dem Kreuzfahrtschiff „Nofretete“ arbeitet.

WOLF SCHNEIDER ist Mitautor des „Handbuch des Journalismus“ und Autor von Bestsellern über die Sprache wie „Deutsch für Kenner“.

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Dritter Teil des Luther-Disputs, erschienen am 11. Januar 2014 im „Thüringen Sonntag“ der Thüringer Allgemeine.

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