„Zum Pinkeln zu McClean“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 6. November 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 6. November 2012 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Küssen Sie gerne? Und wo? Wie wäre es am Bahnhof. Dort hat die Bahn eine Küss-Zone eingerichtet: „Kiss and ride“, übersetzt: Küssen und Fahren.

Dieses Schild findet man auch in Taiwan und Wien, es soll in holprigem Englisch nicht das Rotlicht-Viertel anzeigen, sondern: Hier darf man parken, hier darf man küssen (oder auch nicht) und die Liebste in den Zug setzen. Also: Eine Kurzpark-Zone.

Über die Vorliebe der Deutschen Bahn für Anglizismen wunderte sich sogar ein Engländer, den ein Reporter des „Hamburger Abendblatt“ auf dem Hauptbahnhof sagen hörte: „Wenn die Würstchenstände und die Brezelbuden nicht gewesen wären, hätte ich geglaubt, ich wäre bei British Rail, nicht bei der Deutschen Bahn.“

Und der deutsche Sprachprofessor Walter Krämer grollte im Bahnhof: „Zum Pinkeln muss man zu McClean.“

Als Bahnchef Grube jüngst bei den „Molsdorfer“ Gesprächen in Erfurt zu Gast war, kündigte er an: Die Bahn spricht wieder deutsch. „Call a bike“ soll „Mietrad-Angebot“ heißen, der Flyer „Handzettel“ – und, hoffentlich, der „Service-Point“ wieder „Auskunft“.

Ganz im Grubeschen Sinn wirbt die Bahn in Köln mit einem Spruch, der einen Sprach-Preis verdient hätte:

„Mobilitätskette? Seid ihr jeck? Ich sach dazu: Mit Bus und Bahn.“

So macht sich die Bahn über die „Mobilitätskette“ lustig, die auf unseren „Friedhof der Wörter“ gehört, und lästert fröhlich, ins Hochdeutsche übersetzt: „Seid ihr verrückt? Ich sag dazu: Mit Bus und Bahn.“

Thüringer Allgemeine 5. November 2012

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