Beerdigen wir die „neuen Länder“: Sie bleiben nicht ewig jung (Friedhof der Wörter)
Sind Thüringen und Sachsen wirklich neue Länder? Die Sachsen waren ein munteres und aufsässiges Völkchen schon im dritten und vierten Jahrhundert, so dass die Sachsen ihre Jugend schon lange hinter sich haben.
Da sind die Thüringer ein wenig älter, aber mit einer anderthalb Jahrtausende währenden Geschichte auch nicht mehr wirklich jung. Im vierten oder fünften Jahrhundert taucht der Name auf, danach geht es – wie bei den Sachsen – turbulent zu: Die Grenzen verschieben sich, mal wird’s größer, mal wird’s kleiner. Erst als sich die feudalen Familien aus der Geschichte verabschieden, vereinigen sich sieben Freistaaten, aber lassen Erfurt noch draußen vor der Landestür.
Doch genug von der Geschichte des schönsten deutschen Landes, über die man Wälzer geschrieben hat. Über Baden-Württemberg kann man keine Wälzer schreiben. Dies Retortenland gibt es erst seit 1952.
Dicker werden auch nicht die Geschichtsbücher von Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins Licht der Geschichte traten.
Welches sind also die neuen Länder? Nicht die, die wir gerne als die „neuen Länder“ bezeichnen – als habe die deutsche Geschichte erst mit der Vereinigung 1990 begonnen. Selbst wenn wir den 3. Oktober 1990 als Beginn einer Zeitrechnung nehmen, dürften wir 23 Jahre danach das „neu“ streichen. So lange dauert „neu“ nicht.
Wer seine Liebe wechselt, den Freunden seine „neue“ Frau vorstellt, der wird sie nach 23 Jahren nicht mehr als „neu“ präsentieren. Es wäre peinlich. Nach 23 Jahren gehört sie dazu, in guten wie in schlechten Zeiten.
So sollten wir es auch mit Thüringen und Sachsen und Brandenburg und den beiden Doppel-Ländern im Osten halten: Ihre Jugend im vereinten Deutschland ist vorbei. Man bleibt nicht ewig jung.
Also beerdigen wir die „neuen Länder“ auf dem Friedhof der Wörter, die „jungen Länder“ gleich mit und nehmen wir die Himmelsrichtung: Die Länder im Osten.
THÜRINGER ALLGEMEINE, geplant für den 7. Oktober 2013
[…] spannt sich über dem Jenaer Uniturm, dem höchsten Hochhaus im Osten von Deutschland (dem Osten, nicht den “neuen Bundesländern” – Thüringen ist nicht viel neuer als Bayern oder […]
Den Autor Florian Freistetter und seinen „scienceblogs.de“ kann ich nur preisen. Am „Tag der Einheit“ hat er seine Wissenschaftsstadt Jena verlassen und ist zum Mittelpunkt Deutschlands gereist, nach Mühlhausen und Niederdorla. Lektüre empfohlen:
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/10/03/die-reise-zum-mittelpunkt-deutschlands/