Wer ist ein guter Kritiker?

Geschrieben am 14. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 14. Mai 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Vorbildlich (Best Practice).

„Die Texte sind lebensnah, der Autor hat ein Herz“, so schreibt die FAZ über ihren Filmkritiker Michael Althen, der, nicht einmal 50 Jahre alt, im vergangenen Jahr gestorben ist.

Was macht den Zauber seiner Texte aus? Wer einen Film gesehen hat und die Kritik liest, sagt sich: „Woran liegt es, dass er über Erfahrungen und Empfindungen schreibt, von denen ich dachte, ich wäre mit ihnen allein?“ (FAZ vom 12. Mai)

Was wäre ein weniger guter Kritiker? Einer der „nur in den Betrieb, ins jeweilige Milieu hineingesprochen hätte“.

Selbst die Künstler mochten seine Texte. So sitzen Autoren, Regisseure und Schauspieler in der kleinen Jury, die den Althen-Preis für Kritiker vergeben wird, den die FAZ stiftet. „Es geht um Kritik, die nicht unbedingt recht haben will, um Kritik, die sich die eigenen Gefühle nicht mit wasserdichten Begriffen vom Hals hält, um Kritik, die vom Bewusstsein lebt, dass analytische Schärfe und Wahrhaftigkeit der Emotion einander nicht ausschließen.“

Um von Althen zu lernen, wäre es gut, wenn es ein Buch mit seinen besten Kritiken gäbe. Das Taschenbuch „Warte, bis es dunkel ist“ ist vergriffen. Zu lesen sind darin so schöne Sätze wie diese:

„Das Kino ist keine Wunschmaschine, sondern vor allem eine Folterbank. So lange man jung ist, lässt es uns von all jenen Wünschen träumen, die wir uns erfüllen können, wenn wir erst mal alt genug sind. Kaum ist man erwachsen, schürt es die Sehnsucht nach einer Jugend, die wir so leider nie erlebt haben. Im Kino ist man entweder zu alt oder zu jung, zu reich oder zu arm – oder zu deutsch, um etwa amerikanisch zu sein oder französisch.“

(zu: Handbuch-Kapitel 47 „Newsdesk und Ressorts (Die Kultur)“)

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