Der Schah-Paragraf: Staatsoberhäupter darf keiner beleidigen – auch nicht Jan Böhmermann. Oder?

Geschrieben am 8. April 2016 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 8. April 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, I 38 Satire, M. Presserecht und Ethik.
Jan Böhmermann (ZDF, Ben Knabe)

Jan Böhmermann (Foto: ZDF, Ben Knabe)

Der Spiegel erschien 1949 zwei Wochen lang nicht, er war verboten – weil er das Königshaus in Holland beleidigt haben soll. Davon erzählt Heribert Prantl, der Jurist in der SZ-Chefredaktion, auf der SZ-Titelseite von Freitag (8. März 2016) – im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann, der ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten vorgetragen hatte.

Das Verbot 1949 erließen laut Prantl die britischen Besatzer; das Gesetz, das heute angewandt wird, wurde erst 1953  bundesdeutsches Recht. Vorläufer war ein Gesetz aus dem Kaiserreich, das allerdings nur die Beleidigung von Monarchen unter Strafe stellte.

Ende der sechziger Jahre verlangte der Schah von Persien eine Bestrafung der Studenten, die ein Plakat „Persien – ein KZ“ gezeigt hatten. Heribert Prantl: „Als Ermittler meinten, man müsse sich in diesem Rahmen auch mit den Zuständen in Persien beschäftigen, wurde das dem Bundesinnenminister Paul Lücke zu heikel. Er reiste eigens nach Teheran und bewegte den Schah zu einem Verzicht auf die Strafverfolgung.“

Gleichwohl heißt der Paragraf 103 bisher in der juristischen Umgangssprache „Schah-Paragraf“. Endet bei ihm die Presse- und Kunstfreiheit?

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1 Kommentar

  • Gute Frage. Ich bin der Meinung, dass Satire auch mal hart sein darf und auch Grenzüberschreitungen, die ja stets interpretationsoffen im Auge des Betrachters liegen, toleriert werden sollten. Prinzipiell gilt das für Böhmermann. Aber hat nicht erst Erdogans Intervention den Vorgang öffentlich skandalisiert?
    Solche Vorgänge (vermeintliche bzw. tatsächliche Beleidigung von Staatsoberhäuptern) gab es nicht nur in Prantls Schilderung aus 1949, sondern immer wieder mal in der bundesdeutschen TV-Geschichte. Carrell liess in seiner legendären „Rudis Tagesshow“ z. B. mal BH`s und Schlüpfer im Hintergrund werfen, um das Regime in Teheran moralisch auf satirische Weise zu charakterisieren. Auch da gab es Empfindlichkeiten und diplomatische Noten. Goldhagen hat vor einigen Jahren Ahmadinedschad in Vorträgen oft mit Hitler verglichen und das immer und immer wieder stereotypenhaft wiederholt. Hitlervergleiche helfen als „Totschlagargument“ meist nur denen, die keine Sachargumente mehr haben und Geschichtsereignisse nicht mit Fakten unterlegen können oder wollen.

    Eine Beleidung muss nach §103 StGB einen verleumderischen Charakter haben. Meinungsfreiheit endet für mich da, wo die persönliche Integrität eines anderen Menschen beschädigt wird. Das ist bereits bei übler Nachrede laut BGB der Fall. Aber ist das auch bei Erdogan der Fall? Oder bei harter Satire über Kim Jong-un? Und was mussten Päpste nicht alles ertragen? Oder Helmut Kohl?

    Presse- und Kunstfreiheit als Bestandteil von Meinungsfreiheit – auch in satirischer Form – sind hohe Verfassungsgüter und haben gem. dem GG in unserer freiheitlichen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert. Ich bin gespannt, wie der Fall ausgeht. Meine Vermutung: Wie das Hornberger Schießen!

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