Die besten Interview-Tipps: Spielen Sie ruhig mit ihrem Gast!

Geschrieben am 16. September 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 16. September 2014 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, G 26 Interview, H 34 Porträt.

Die besten Zeitungs-Interviews sind Gespräche, in die sich der Leser hineingezogen fühlt – in die Atmosphäre, in die Fragen mit all ihren überraschenden Wendungen. Wenn es möglich ist, sollte der Journalist mit seinem Gast auch spielen – mit den Worten, mit den Themen, mit den Antworten.

Spielen bedeutet nicht: flach sein, blödeln, unsinniges Zeug reden, auffallen um jeden Preis. So wie jedes kindliche Spiel immer ein ernstes ist, so ist auch ein Interview der Versuch, einen Menschen und seine Persönlichkeit kennenzulernen, mit Respekt.

Ein Beispiel stammt aus einem Interview, das Tobias Haberl mit Dirk Nowitzki führte. Er thematisierte das wohl schleppend verlaufene Interview mit einer fast frechen Frage – um eine Antwort zu bekommen, die mit zwei, drei Sätzen die Persönlichkeit des Basketball-Stars offenlegte:

Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie gar kein leichter Interview-Partner sind?

Haberl, der Interviewer, sagt nicht: „So kommen wir nicht weiter: Sie antworten ausweichend – und so wird das niemals ein gutes Interview.“ Vielleicht hat er das, ein wenig netter, im Gespräch sogar so gesagt; aber in der Druck-Fassung klänge es respektlos. Er kleidet eine Feststellung in eine persönliche Frage:

Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie gar kein leichter Interview-Partner sind?

Nowitzki: Nein, warum?

SZ: Weil Sie so bescheiden, zurückhaltend und bodenständig sind. Böse Jungs haben oft die besseren Geschichten zu erzählen.

Nowitzki: Tut mir leid. Ich denke auch manchmal: Mensch, Dirk, sie doch nicht immer so vernünftig, sei doch mal wilder, aber was soll ich sagen, ich bin’s einfach nicht. Ich bin so groß geworden, meine Eltern sind bodenständig. Meine Mutter gibt mir heute noch Taschengeld, wenn ich den Sommer über in Würzburg bin.

SZ: Nicht Ihr Ernst?

Nowitzki: Doch, zum Tanken. Ich fahre jeden zweiten Tag zum Training nach Bamberg. Und wenn der Tank leer ist, trete ich bei meiner Mutter an und sage: Mama, kein Geld mehr da.

Die spielerische Frage, die eigentlich ein Vorwurf ist, nach der Schwere des Interviews führt zu sieben Mal „Ich“ in sieben Antwort-Sätzen. Glückwunsch: So gelingt ein Interview.

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Quelle: Süddeutsche Zeitung „Bescheidenheit“, Wochenende-Interview, 6. September 2014

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