Die Bombe im Kino: Warum „Blockbuster“ ein hässliches Wort ist und ein gefährliches obendrein (Friedhof der Wörter)
Was hat Walt Disneys Film „Die Eiskönigin“, nach einem Märchen von Hans-Christian Anderson, gemein mit Bomben im Zweiten Weltkrieg, die Hunderttausenden in Deutschland den Tod brachten?
Beide heißen „Blockbuster“.
Der Anglizismus „Blockbuster“, frei übersetzt: Wohnblock-Knacker, ist auch in Deutschland ein gängiger Begriff für Filme, die – wie „Die Eiskönigin – viele Besucher anlocken und oft eine Milliarde Dollar oder mehr einspielen. Das Wort taucht in TV-Zeitschriften auf, im Privatsender „Pro7“ läuft es als Serientitel wie etwa am Pfingstsonntag mit dem glänzenden Politkrimi „Die Iden des März“ oder mit der vierten Folge des Klimawandel-Zeichentricks „Ice Age“ am Pfingstmontag.
(Übrigens: Traut der deutsche Verleih dem Kinogänger nicht zu, dass er weiß, was die Iden des März sind? Und bringt neben dem englischen Titel „The Ides of March“, den wohl nur wenige verstehen, den deutschen „Tage des Verrats“?)
Wir haben schöne deutsche Wörter für den Blockbuster wie „Kassenschlager“ oder „Kinohit“. Als das Fernsehen noch jung war und nahezu ganz Deutschland – bei fast 90 Prozent Einschaltquote – die „Halstuch“-Krimis schaute, sprachen die Leute vom „Straßenfeger“.
Blockbuster – der Begriff „ist eine Instinktlosigkeit gegenüber den Opfern des Luftkriegs im Zweiten Weltkrieg. Wenn ihn die Nachfahren englischer und amerikanischer Bomberpiloten verwenden, muss man das hinnehmen, von Deutschen jedoch nicht“,
schreibt Gerhard H. Junker, der Herausgeber des „Anglizismen-Index“, der vor einem halben Jahr in hohem Alter gestorben ist.
Als um die Jahrtausendwende in Hamburg zwei „Blockbuster“ gefunden und entschärft wurden, tauchte das Wort auch in seiner ursprünglichen Bedeutung in unseren Zeitungen auf: Solange Bomben im Untergrund unserer Städte schlummern, werden wir diese Blockbuster nicht aus unserer Sprache vertreiben können.
Junge Leuten allerdings denken beim „Blockbuster“ nicht mehr an den Krieg, den selbst ihre Eltern nicht erlebt und erlitten haben. Reicht aber das Unwissen über die Bombennächte aus, um den „Blockbuster“ zu verzeihen oder gar zu dulden?
Wann befreit sich ein Wort von seiner historischen Last? Aber unabhängig von dieser Frage: „Blockbuster“ ist ein häßliches und unnötiges Wort, das auf den Friedhof der Wörter gehört – aber immer wieder aufstehen wird, da es auch der Duden aufgenommen hat ohne jeden Hinweis auf seinen zweifelhaften Ruf.
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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 2. Juni 2014 (hier erweitert)
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Wieder was gelernt… Ich hatte keine Ahnung und mir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, wo das Wort Blockbuster eigentlich herkommt.
Aufklärung ist tatsächlich angebracht.
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