Stalingrad, Goebbels, der Krieg und die Wörter (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 3. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 3. Februar 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Vor siebzig Jahre endete im Kessel von Stalingrad die wahrscheinlich blutigste Schlacht der Geschichte. Propaganda-Minister Joseph Goebbels redete die Niederlage schön und verbot den Deutschen, ein Wort auszusprechen:

Für uns aber war es seit jeher feststehender und unumstößlicher Grundsatz, dass das Wort Kapitulation in unserem Sprachschatz nicht existiert!

Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst, sagte Churchill, und jeder Krieg beweist: Er ist immer auch ein Kampf um die Worte. Meistens wollen die, die Krieg führen, ihre Bevölkerung milde stimmen und Bomben, Tod und Elend beschönigen – auch in Demokratien.

Jamie Shea war vor fünfzehn Jahren Sprecher der Nato während des Kosovo-Kriegs. Er sprach vom „Kollateralschaden“ und meinte Zivilisten, die bei einem Bombardement getötet wurden. Das Wort wurde in Deutschland zum „Unwort des Jahres“ gewählt.

Jamie Shea entschuldigte sich dafür in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau:

Der Begriff wird von Militärs benutzt. Ich habe daraus gelernt, dass der Jargon, der innerhalb einer Behörde benutzt wird, außerhalb eine sehr negative Wirkung haben kann.

Jamie Shea nutzte öffentlich noch andere Wörter aus der Behörde, mit der er die Armee meinte:

  • Smart Bombs, also: intelligente Bomben, wobei „smart“ im Englischen eine positive Bedeutung hat, etwa gepflegte Kleidung oder edles Restaurant; selbst der Nato-Sprecher räumt ein: „Smart Bombs waren natürlich nicht immer smart.“
  • Luft-Kampagne statt Bombardement und Luftkrieg. Das sei ein diplomatischer Ausdruck, rechtfertigte sich der Nato-Sprecher. „Wir wollten das Wort Krieg bewusst vermeiden. Denn Krieg bedeutet immer, dass es keinen Platz mehr für Diplomatie gab.“

„Der Krieg ist das Gebiet der Ungewissheit“, schrieb Carl von Clausewitz vor 180 Jahren, „drei Viertel derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel.“ Aus der Not der Generäle haben die Propagandisten die Untugend des Euphemismus entwickelt: Sprich schön, obwohl es hässlich ist.

Sie erfanden Wörter wie Bombenteppich oder Waffengang und erklärten einen Krieg zur „Operation Regenbogen“. Das ist der Nebel der Wörter im Krieg.

Thüringer Allgemeine, geplant für 4. Februar 2013

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