Ist das Gewissen für Journalisten ein charakterliches Handicap? (Zitat der Woche)
Als Journalist hatte Henning Ritter mit einem charakterlichen Handicap zu kämpfen: Er war nur bereit zu schreiben, was er vor dem strengsten ihm bekannten Gerichtshof, seinem Gewissen, verantworten konnte, und so zögerte er oft, zu der in seinem Gewerbe als notwendig empfundenen Konklusion zu gelangen.
Martin Mosebach über Henning Ritter, der am 23. Juni in Berlin gestorben ist. Der FAZ-Redakteur redigierte die Seite „Geisteswissenschaften“, schrieb Sachbücher über Grausamkeit, Mitleid und sein großes Vorbild Rousseau. Er notierte sich unentwegt seine Gedanken und gab sie 2010 als Buch heraus: „Notizhefte“
Im FAZ-Essay berichtet Mosebach von seinen Begegnungen am Freitagnachmittag im Kaffeehaus, wo Ritter „unter einer Glasglocke der Konzentration“ seine Notizen schrieb. Sollte man vielleicht den Nachrichtenraum in einem Cafe einrichten?
Bei einem der letzten Gespräche mit Mosebach erzählte Ritter, wie er die Nachricht seines Arztes vom nahen Tod aufgenommen habe: „Ich fühlte eine ungeheure Erleichterung – du musst nie wieder schreiben.“
Quelle: FAZ vom 27. Juni „Unbedingter Glaube an die Kraft des Gedankens“
Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Ist das Gewissen für Journalisten ein charakterliches Handicap? (Zitat der Woche)"
Ähnliche Artikel zum Thema
- Vom Granteln und Pranteln und enttäuschter Recherche
- Hamburger Abendblatt mit riesiger weißer Fläche – statt Foto von Cecilia Bartoli
- Vorbildlich: Die Middelhoff-Buddenbrooks-Reportage der SZ
- Kopflose Enthauptung oder – Zwei Fallen bei Sprachbildern: Schief oder überladen (Friedhof der Wörter)
- „Wahrhaft“: Stadelmaier schrieb den 208-Wörter-Satz und bekommt den Deutschen Sprachpreis