Joachim Gauck: Ein Journalist darf nicht zum Politiker werden

Geschrieben am 13. Mai 2016 von Paul-Josef Raue.
 Bundespräsident Joachim Gauck (Zeichnung: Anke Krakow / TBM)

Bundespräsident Joachim Gauck (Zeichnung: Anke Krakow / TBM)

Bundespräsident Joachim Gauck ist stolz auf die Medien in Deutschland, er spricht von einer „Presselandschaft, die ihresgleichen sucht“, von einer „vorbildlichen Medienwelt“. Aber:

Es beunruhigt mich, wenn ich in diesen Tagen den Vorwurf höre, die Medien berichteten bisweilen einseitig und unvollständig besonders über die Probleme, die mit Flucht und Einwanderung einhergehen. Da ist von Widersprüchen zwischen beobachtbarer und berichteter Welt die Rede, von einer Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus, von Medienverdrossenheit, ja sogar von „Lügenpresse“.

Bei der Verleihung des „Europäischen CIVIS Medienpreises“ erinnert er an seine DDR-Geschichte:

Ich weiß, was Lügenpresse ist. Ich habe sie erlebt – jahrzehntelang, in der DDR. Eine zentrale Stelle bestimmte, welche Informationen und welche Meinungen verpflichtend waren. Zensur und Desinformation bestimmten den Medienalltag. Und heute? Es ist so völlig anders – und trotzdem: Verschwörungstheoretiker behaupten im Netz und auf der Straße, dass unsere Presse gelenkt sei – so entstünden „Systemmedien“.

In seiner Antwort auf die Frage, warum „die Diffamierung als Lügenpresse bei einem Teil der Öffentlichkeit verfangen hat“,  lobt er die Debatte über die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung, das Nachdenken über die Regeln des Journalismus und die journalistische Selbstkritik.

Gauck nennt die Grundsätze, die „so einfach wie ehern sind“:

  • Sagen, was ist.
  •  Informieren sauber trennen vom Kommentieren.
  • Distanz halten.
  • Sich nicht dazu hinreißen lassen, wegen einer guten Sache Fakten selektiv zu benennen.

Da hat der Bundespräsident den schönen Satz von Hajo Friedrichs korrekt, aber sprachlich weniger schön wiedergegeben: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken.“ Dürfen die Redenschreiber des Präsidenten  andere nicht zitieren?

Joachim Gauck trennt den Journalisten vom Politiker und fordert die Trennung. Wer die journalistischen Regeln nicht befolgt, werde schnell zum politischen Akteur:

 Und dann ist es nicht mehr weit, bis der Fluch der edlen Absicht dazu verführt, etwas zu verschweigen, um nicht den Falschen Argumente zu liefern. Die Lebenserfahrung zeigt aber: Nicht wer ein Problem benennt, vergrößert es, sondern wer es verschweigt.

1 Kommentar

  • Es gibt einige Journalisten, die sich entschieden haben, die Seiten zu wechseln und in die Politik einzusteigen. Zum Beispiel Willy Brandt, Egon Bahr, Steffen Seibert etc. . Es wäre interessant, einmal nachzuschauen, ob der Union/FDP nahe und wohlgesonnene Journalisten eher zum Einstieg in prominente Positiionen von Wirtschafts-Verbänden neigen, statt sich in respektvoller Beobachtung politischen Geschehens etwa Mitte 45-50 zurückzuziehen. Ich kann in solchen Lebensläufen, die von Berichterstattung zu Presseverlautbarungen wechseln, keinen Bruch erkennen. Man muss dazu geboren und ambitioniert sein, das Lager zu wechseln und das Regierungsrauchfass aus Landeshauptstädten oder gar in Berlin oder München vor ehemaligen Kollegen zu schwenken. Ob die einen als Info-Botschafter akzeptieren, sei dahin gestellt. Der Bundespräsident ist seit langer Zeit mit einer Nürnberger Journalistin liiert. Schröder hatte sich vor Jahrzehnten mal in eine „Focus“ – Doris verknallt. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass sich im weitesten und engsten Sinne Politiker und Journalisten einander nicht austauschen. Gauck, der mich zu früheren Zeiten bei einem Interview in Bad Kissingen anregte, ich solle mich mal um meine Stasi-Akte kümmern, hatte nach meinem Gesuch in der zuständigen Behörde Suhl einen „Volltreffer“ gelandet. Wolfgang Kretschmer: „Rosenholz-Datei“. Man wurde in der Nachwendezeit ja unter Wert gehandelt, konnte man als Journalistin/Journalist keine stabile Stasi-Akte nachweisen. Es widerspricht jeglicher Lebeneserfahrung anzunehmen, dass Journalistinnen und Juristinnen Prominente vor ausgefuchsten Kolleginnen und Kollegen bei Presse-Konferenzen den Regierungsstil interpretierend politischen Selbstmord verüben und als Verbeamtete ihr Sparkassenkonto ruinieren Praktikabel und denkbar sind Fälle gegenseitiger Ausbeutung. Der Journalist als „Mitwisser“. Den beschnittenen Atatürk-Leitesel reitend bin ich mal wieder einem Thema aufgesessen, das jedem Menschen bei Verstand kritisch klar ist: Redakteure sind bezahlte Angestellte wie die in einer Kopftuch-Fabrik. Ich meine, es ist an der Zeit, Gauck, der seine politisch klare Präsenz etwa im Unterschied zu Heinemann nicht deutlich (pastoral) lutherisch erkennen lässt, vielleicht deshalb, weil er im Stillen wirkt, verschweigender Kompromiss-Rede zugeneigt ist, durch eine „Sie“ zu „ersetzen“, die die Probleme unserer Form von Vergesellschaftung klar benennt un d deren Lösung vorantreibt. (kre)

Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Joachim Gauck: Ein Journalist darf nicht zum Politiker werden"