Journalisten über Journalisten: Einfach draufhauen!
Journalisten schreiben selten nett über Journalisten. Einige Medienseiten überraschen die Leser immer wieder mit recherchefreier Häme, wie wir sie sonst nur aus dem Netz kennen; einzig tröstlich ist, dass sie kaum ein Leser zur Kenntnis nimmt – außer Journalisten, die online bei den einschlägigen Medien-Diensten zumindest die Kurzfassungen lesen und sich freuen: „Mich hat es nicht erwischt!“
Neu auf der nach oben offenen Häme-Skala ist das ausschließliche Zitieren von Anwälten der Verleger. Im Juli-Journalist wird ein nicht benannter Madsack-Anwalt bemüht, der Bernd Hilder, dem Ex-Chefredakteur der LVZ, vorwirft „keinen Draht zur Redaktion gefunden zu haben“; „zudem habe Hilder den Trend zum Lokalen und zu mehr Online ignoriert, sich ohnehin mehr für das Repräsentieren als für das Blattmachen interessiert“.
Recherche? Nur bei den Verlegern, aber nicht in der Redaktion und nicht beim Beschuldigten selbst – jedenfalls fehlt jeder Hinweis, dass der Autor die Gegenseite gefragt hat. Also – einfach draufhauen und die Splitter einsammeln oder zündeln und sich am Feuer wärmen.
In solch recherchefreien Zonen lässt sich fein spekulieren und Gerüchten nachhängen. Mit Journalismus hat das wenig zu tun.
Der Journalist war lange Zeit nicht gerade berühmt wegen seiner gründlich recherchierten Geschichten, sondern berüchtigt wegen seiner klaren Standpunkte und seiner strikten Missachtung von Ziffer 2 des Pressekodex: Er hatte mehr gekämpft als recherchiert.
Die Qualität hatte sich unter der neuen Chefredaktion verbessert: Es lohnte sich wieder, zumindest einige der Artikel zu lesen. Ist der kurze Frühling schon vorüber?
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