Reportage-Schreiben ist wie Brot-Schneiden: „Sägen, nicht drücken“

Geschrieben am 20. Juni 2013 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 20. Juni 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, D. Schreiben und Redigieren, H 32 Reportage.

„Schreibt so behutsam, wie meine Großmutter es für das Brotschneiden forderte: Sägen! Nicht drücken!“, lobt Carolin Emcke, Deutschlands vielleicht beste Reporterin, den SZ-Gerichtsreporter Hans Holzhaider, der den Herbert-Rhiel-Heyse-Preis gewonnen hat. In seiner Reportage „Der nackte Wahnsinn“ sägt der 66jährige Holzhaider laut Emcke langsam und rhythmisch, ohne Druck, ohne Vergeudung von Kraft und ohne Empörung.

Holzhaiders Reportage porträtiert einen Mann, der seit 18 Jahren in der geschlossenen Psychiatrie leben muss – weil er sich in der Öffentlichkeit entblößt hatte, mehr nicht. Carolin Emcke: Es ist die Geschichte eines Skandals, die ohne Skandalisierung auskommt; die Geschichte eines Menschen, der sich entblößt hat, die aber erzählt wird, ohne dass der Mensch vom Autor entblößt wird. „Eine zutiefst humanistische Haltung“, sagt Emcke.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 19. Juni 2013

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