Tobias Korenke: Leidenschaft entdecke ich bei Verlagsmanagern immer seltener (Symposium 25 Jahre TA)

Geschrieben am 16. Januar 2015 von Paul-Josef Raue.

Tobias Korenke, Leiter Unternehmenskommunikation der Funke-Mediengruppe, beendete das Symposium zu „25 Jahre Thüringer Allgemeine“ mit einer Provokation – zuerst gegen Manager, denen er fehlende Leidenschaft vorwarf:

1.Zeitungen haben sich eigentlich ganz gut gehalten, wenn man sich anschaut:

Im Internet finden wir eine völlig andere Öffentlichkeit als die, mit der wir über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zu tun hatten; im Netz spielen kontroverse Meinungen kaum mehr eine Rolle. Pegida beispielsweise ist am Ende nichts anderes als eine riesige Facebook-Party, angetrieben nicht durch besseres Wissen, sondern durch den im Internet geschürten Glauben: Wir sind die einzige Gemeinschaft der Wahrhaftigen.

2.Ich beobachte in vielen Verlagen eine zunehmende Entkopplung von Management und Produkt. Wir haben es mit irrsinnig guten Kaufleuten, mit Controllern, mit Buchhaltern zu tun. Leidenschaft für die Zeitung erlebe ich immer seltener – und schon gar nicht für ihre aufklärerische gesellschaftliche Bedeutung. Die Zeitung ist eben eine Ware, ein Wirtschaftsfaktor.

Im Management Leidenschaft für den Leser zu finden, ist eine schwierige Geschichte. Man muss sich fragen: Ist eindimensionales Effizienzdenken an die Stelle von verlegerischem Denken getreten?

Wo ist der Mut zu Neuem?, möchte ich fragen. Mut zu sparen gibt es überall.

3.Ich sehe auch eine Krise der Eigentümer. Das ist natürlich ein ganz rutschiges Parkett, auf dem ich mich bewege. Aber ich finde, darüber muss man reden.
Können nicht auch Gewinne zurückfließen? Das ist jetzt nicht Populismus, sondern hat mit Verantwortung für das Medium zu tun.

Teil 2 – die Provokation an die Adresse der Journalisten – folgt.

Thüringer Allgemeine, 16. Januar 2015

4 Kommentare

  • Dem Beitrag stimme ich als Teilnehmer am Symposium uneingeschränkt und voller Leserleidenschaft zur Thüringer Allgemeinen zu.
    W. Jörgens

  • Ich sehe das weniger schwarz. Journalismus ist heute besser als vor „Jahrzehnten“. Es gibt mehr Möglichkeiten zu publizieren und der Online-Journalismus ist nicht der Abgesang eines „Qualitätsjournalismus“ früherer Zeiten, sondern wird entscheidend mit dazu beitragen, dass sich Journalismus wandlungsfähiger zeigt. Es gab nie so viele gute Ansätze, Qualitätsjournalismus neu zu definieren.
    Und mal ehrlich, wie soll man denn diese Aussage verstehen: „Im Internet finden wir eine völlig andere Öffentlichkeit als die, mit der wir über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zu tun hatten?“ – Seit der Keilschrift hat sich viel verändert. Auch seit dem Bleisatz und modernen Druckverfahren. Immer auch ändern sich im Laufe der Jahe auch Autoren und Leserschaft. Wir können uns darüber freuen, dass die Entwicklung weiter geht. Ich denke, dass viele in Ehren grau gewordene Kolleginnen und Kollegen einmal zurückblicken sollten. Auf ihre Ausbildungszeit. Ich habe als gelernter Rundfunkjournalist in meinem Berufsleben viele Veränderungen erlebt. Der Umstieg von Analog- auf Digital-Technik war in meinem Erleben die größte Herausforderung. Sie hat uns alle viel weiter gebracht. Es würde im Rahmen dieses Kommentars zu weit gehen, um dies im einzelnen zu begründen. Das ist aber in den Fachmedien jederzeit nachlesbar. Der Journalismus sollte sich weniger mit sich selbst beschäftigen, sondern mit seinen eigentlichen Aufgaben.

    Beste Grüße,
    Knut Kuckel

    • Ich stimme Ihnen weitgehend zu, möchte aber Tobias Korenke mit seiner „völlig anderen Öffentlichkeit“ in Schutz nehmen. Ich habe offenbar seine Aussage für den Blog zu sehr verkürzt, so dass Missverständnisse entstehen konnten. Dies ist die komplette Passage aus dem Symposium:
      „Ich finde, dass die Zeitungen sich eigentlich ganz gut halten – wenn man sich anschaut, mit was Krisenphänomen wir zu tun haben, Krisenphänomen, die den Zeitungen das Leben tatsächlich wieder schwer machen.

      Da gibt es zuerst eine Krise des Öffentlichkeitsbegriffes oder auch des Verständnisses von Öffentlichkeit. Im Internet wurden in den vergangenen Jahren die alten Wegweiser zu verlässlichen Informationen abgebaut und durch neue ersetzt, schreibt Thomas Müller von Blumenchron in der FAZ in einem wirklich bemerkenswerten Leitartikel. Über Jahrhunderte war es üblich, dass Informationen einen Absender hatten. Um etwas zu erfahren, musste sich jeder zu einer Informations-Institution begeben: Das konnte die griechische Angora gewesen sein, der Marktplatz, später wurden es die Zeitung, Radio, Fernsehen – und mit Facebook hat sich das nun geändert. Statt Informationen abzurufen warten Millionen darauf, dass diese Informationen nun kommen, vermittelt von sogenannten Freunden. Das ist ein Phänomen und Stephan Turm, der Funke-Digitalchef, hat eben ganz begeistert davon erzählt.

      Ich finde, wir müssen auch die andere Seite sehen, das hat nämlich den Nachteil, dass die Information eben immer nur von einer Seite kommt. Andere kontroverse Meinungen spielen da kaum eine Rolle mehr. Pegida ist doch am Ende nichts andere als eine riesige Facebookparty, angetrieben nicht etwa durch besseres Wissen, sondern durch den im Netz geschürten Glauben, eine nämlich die einzige Gemeinschaft der Wahrhaftigen zu sein.

      Ich glaube, das muss man sich ganz genau angucken: Was ist eigentlich Öffentlichkeit in Facebookzeitalter? Und das ist eine völlig andere Öffentlichkeit, als die mit der wir über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zu tun hatten.

  • Danke für Ihre relativierende Antwort. Ihre Frage „Was ist eigentlich Öffentlichkeit im Facebookzeitalter?“ sollte in der Tat aktuell und „öffentlich“ diskutiert werden. Eine Anregung, die ich gerne weitergeben werde.

Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Tobias Korenke: Leidenschaft entdecke ich bei Verlagsmanagern immer seltener (Symposium 25 Jahre TA)"