Wenn Gott promoviert (Friedhof der Wörter zur Schavan-Affäre)

Geschrieben am 10. Februar 2013 von Paul-Josef Raue.

Wer in die Geschichte der Wörter schaut, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Nehmen wir ein Wort, das in der Schavan-Affäre die zentrale Rolle spielt: Promovieren.

Hat die Ministerin promoviert? Oder wurde sie promoviert?

Das ist nicht nur eine Frage für Fachleute, die transitive Verben untersuchen, sondern auch eine Frage der Moral:

  •  Hat die Ministerin promoviert, also selber den Doktor-Titel erlangt? Dann trägt sie allein die Verantwortung.
  • Wurde sie promoviert? Dann ist die Verantwortung zumindest geteilt: Wer jemanden promoviert, muss prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist – Abschreiben inklusive.

„Promovieren“ taucht in der deutschen Sprache vor einem halben Jahrtausend auf und wird aus dem Lateinischen entlehnt, man dürfte auch sagen: abgeschrieben. In ihrem Wörterbuch erklären die Brüder Grimm: „Einen oder etwas weiter, vorwärts bringen, fördern, befördern.“

Das ist die ursprüngliche Bedeutung des Worts: Jemanden nach vorne bringen – also beispielsweise mit einem Doktortitel.

Die Förderer müssen keine Professoren sein, auch Gott kann förderlich sein. Diesen Satz fanden die Brüder Grimm bei Abraham a Santa Clara, einem berühmten Volksdichter im 17. Jahrhundert:

„Gott wird uns nicht verlassen, sondern unsere Waffen mit seinen göttlichen Segen promovieren.“

Wer historisch korrekt sein will, lässt also promovieren: Gott oder Professoren samt einer kompletten Fakultät. Unter solch mächtigen Instanzen erscheint ein armer Sünder oder eine arme Studentin doch eher klein.

 

Thüringer Allgemeine, geplant für 11. Februar 2013

Diskutieren Sie mit uns den Artikel "Wenn Gott promoviert (Friedhof der Wörter zur Schavan-Affäre)"