Weihnacht – auf den Spuren eines Wortes: „Leider ein Freßtag!“ (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 21. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 21. Dezember 2014 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter, I 38 Satire.

Weihe oder Wein? Woher stammt „Weihnachten“, das Wort? Von der geweihten Nacht? Michael Prätorius dachte an – den Wein!

Prätorius,  vor  knapp fünfhundert Jahren nahe Eisenach geboren, komponierte eines der bekanntesten Weihnachtslieder: „Es ist ein Roß entsprungen“;  er dachte nicht an die geweihte Nacht, sondern eben an den Wein:

„Weihnachten hat den Namen vom Weine, weil mitten in der Nacht alle Wasser zu Weine werden“, schrieb er – und könnte er aus seinem himmlischen Quartier auf deutsche Heiligabend-Feiern schauen, würde ihm der Spott vergehen.

Im späten Mittelalter ist die Deutung als Wein-Nacht mehrfach zu finden. Dem zornigen Prediger Abraham a Santa Clara, der den Österreichern ins Gewissen redete, kam diese Deutung gerade recht:

„Wie oft wird die heilige Weinacht zu einer Wein-Nacht“ wetterte er und fuhr fort: „Was ist der Festtag? O leider! Ein Freßtag!“  Diese Wutpredigt hört  sich modern an, ist aber schon  knapp vierhundert Jahren alt.

Nun ist einem nach reichlichem Wein-Genuss feierlich zumute, doch das Feierliche und Heilige der Weihe liegt unserer „Weihnacht“ zugrunde. Es ist ein recht junges Wort: In der Bibel finden wir es nicht, erst vor achthundert Jahren taucht die „wihe naht“ erstmals in einem Schriftstück auf.

Moderne Versuche, „Weihnacht“ abzuschaffen, sind nur satirisch erfolgreich wie bei Reinhard Ulrich, dem Autor vom „Spur der Broiler“. Er fand oder erdichtete die DDR-Fassung eines bekannten Lieds, die umgedichtet umgehend auf unseren Friedhof gehört:

„Oh du ölige, o du mehlige, bratenbringende Jahresabschlussbilanzzeit.“ 

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 22. Dezember 2014

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