Wenn Wörter schmelzen (Friedhof der Wörter – Apostroph)

Geschrieben am 4. September 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 4. September 2012 von Paul-Josef Raue in Friedhof der Wörter.

Die Liberalen in Thüringen, so sie in der FDP organisiert sind, wollen zu den Liebhabern der deutschen Sprache zählen. Zumindest engagieren sie sich für unsere Kinder in der Schule: Sie sollen besser lernen. So haben sie ein großes Plakat entworfen: „Schule für’s Leben“.

Ein wahrer Liebhaber der deutschen Sprache, der Redakteur Thorsten Büker von der Thüringischen Landeszeitung (TLZ), hat die Plakate entdeckt – und gleich einen Schreibfehler. „Für’s Leben“ ist falsch, laut Duden ist „fürs Leben“  richtig. Und der Duden ist der Gott der Deutschlehrerinnen, er bestimmt, wann sie ihren Rotstift anzusetzen haben.

Der Apostroph ist aber ein windiger Geselle, ein Häkchen, das manche mühsam auf der Tastatur suchen, das selten und meist falsch benutzt wird und das nur wenige beherrschen – auch der Duden nicht.

Der Apostroph, so die Duden-Regel, zeigt an, wenn in einem Wort Buchstaben ausgelassen werden. Würde sich der Duden auf diese einfache Regel beschränken, hätte nicht nur Thüringens FDP ein Problem weniger, sondern jeder Schreiber der deutschen Sprache – erst recht wenn der Duden seine zweite, menschenfreundliche Regel selber beherzte:

„In vielen Fällen können die Schreibenden selbst entscheiden, ob sie einen Apostroph setzen wollen oder nicht.“

Die Ausnahmen, die er bestimmt, sind ebenso unlogisch wie unfreundlich. Trüb statt trübe ist auch korrekt ohne Häkchen, ebenso heut statt heute – mit der Begründung, es sei gut lesbar und unmissverständlich.

Das soll laut Duden für „allgemein übliche Verschmelzungen von Präpositionen“ nicht gelten. Das verstehe, wer will: Die  „fürs“ und „hinters“ und „unters“ sind zwar üblich, aber in der Schriftform eben nicht unmissverständlich.

Wer das „das“ in „für das Leben“  verschlucken will, ist kein Banause; wenn er aber, um Verständlichkeit bemüht, das Verschlucken kenntlich machen will, sollte er das Häkchen setzen dürfen. Und er darf es auch, wenn er keiner Deutschlehrerin ausgeliefert ist.

Thüringer Allgemeine, 3. September 2012

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