Werkstatt: Wie die New York Times das erste Interview mit Trump führte

Geschrieben am 15. Januar 2017 von Paul-Josef Raue.
Arthur Sulzberger ist Verleger der New York Times. (Foto: NYT)

Arthur Sulzberger ist Verleger der New York Times. (Foto: NYT)

Donald Trump mag Journalisten nicht:

Diese Menschen sind die niedrigste Form des Lebens, ich sag’s euch. Sie sind die niedrigste Form der Menschheit,

schmähte er in einer Wahlrede. In seiner ersten Pressekonferenz nach der siegreichen Wahl durfte ein Journalist von CNN, „dieser schrecklichen Organisation“ , erst gar keine Frage stellen. Das ging auch der New York Times zu weit, sie sprach von einer Kriegserklärung an die Medien, aber hatte wenige Wochen zuvor mit Trump in ihrer Zentrale nicht nur ein langes Interview geführt, sondern auch Wort für Wort protokolliert.

Ein Interview (die „Bild“ hat es übersetzt und online gestellt) so zu veröffentlichen, wie es wirklich geführt wurde, ist in Deutschland umstrittener als in den Staaten. Als Jill Abramson, Ex-Chefredakteurin der New York Times, vor sechs Jahren entschied, es gebe keine Autorisierung von Zitaten mehr, diskutierten dies deutsche Journalisten heftiger als angelsächsische.

Was fällt auf beim Blick in die Interview-Werkstatt der New York Times:

  • Der Verleger Arthur Sulzberger führt zuerst das Gespräch, dem Chefredakteur erteilt er später das Wort. Sulzberger beginnt das Interview so nett, als hätte es nie eine Verstimmung gegeben. Diese Nettigkeit ist professionelle Routine: Nicht mit der Tür ins Haus fallen, dem Gesprächspartner respektvoll begegnen und ihn in Sicherheit wiegen.
  • Auch Trump umgarnt die Redakteure – um wenig später all seinen Unmut über die Journalisten zu wiederholen. Was für rhetorische Kniffe in knapp einem Dutzend Sätzen: Erst Respekt, dann Angriff, schließlich Angebot zur Zusammenarbeit!

Okay. Also, ich weiß das Treffen wirklich zu schätzen und habe großen Respekt vor der ‚New York Times‘. Riesigen Respekt. Sie ist etwas ganz Besonderes. War schon immer etwas ganz Besonderes. Ich finde, dass ich sehr grob behandelt worden bin. Es ist ganz offensichtlich, dass ich auf gewisse Weise, im wahrsten Sinne sehr ungerecht behandelt worden bin. Ich möchte mich nicht nur über die „Times“ beschweren. Ich würde aber sagen, dass die Times am gröbsten zu mir war… Schauen Sie, ich habe großen Respekt für die Times, und ich möchte Ihre Meinung ändern. Ich glaube, das würde mir meine Arbeit stark erleichtern.

  • Trump ist gut vorbereitet, lobt Konkurrenz-Zeitungen und versucht, die Redakteure einzuschüchtern. Die reagieren nicht darauf. Das ist professionell: Tapse nicht in jede Falle, die aufgestellt wird.
  • Trump spricht die Redakteurin Maggie, die wohl auf Clintons Seite war, direkt mit Vornamen an: „Hören Sie, Maggie, ich will ihnen nicht wehtun. Ich finde, sie haben eine Menge durchgemacht. Sie haben eine Menge durchgemacht.“
  • Trump weicht aus, ist nicht zu fassen. Der Trick ist einfach und wird von Politikern geschätzt: Trump erklärt ein Thema für ein Rand-Thema und lenkt den Blick auf ein anderes Thema, das er für wichtig erklärt.
  • Kommentatoren in den USA schreiben nicht ihre Meinung, sie sind ausgewählt, die offizielle Haltung des Verlegers darzulegen. Thomas L. Friedman, den Leitartikler, spricht Trump mit „Tom“ an. Friedman will die Haltung zum Klimawandel erkunden und erwähnt, dass Trump „einige der schönsten Golfplätze der Welt“ besitzt. Alle lachen, reden durcheinander. Trump nimmt den Ball auf, prahlt mit seinen Golfplätzen, wieder verzeichnet das Protokoll „Lachen“.
    Friedman, der Leitartikler, findet das Lachen gar nicht lustig, wird sauer: „Es ist mir sehr wichtig – und ich glaube, auch vielen unserer Leser – zu wissen, was Sie in dieser Hinsicht tun werden.“ Trump weicht aus: „Ich schaue mir das ganz genau an, Tom. Ich sag Ihnen was. Das ist ein interessantes Thema, denn es gibt nur wenig, was umstrittener ist als der Klimawandel.“
    Der Verleger greift ein, stellt sich auf die Seite seines Leitartiklers: „Nun, da wir auf einer Insel leben, möchte ich Ihnen dafür danken, unvoreingenommen zu sein. Wir haben gesehen, was diese Stürme mittlerweile anrichten, stimmt’s? Wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Ganz direkt.“
  • Trump nutzt die Vertrautheit mit dem Verleger und demonstriert sie vor den Redakteuren: „Ich bin wirklich unvoreingenommen. Und wir hatten schon immer Stürme, Arthur.“ Und er erzählt von seinem Onkel, der Professor war, von Wissenschaftlern, die sich schreckliche Mails schreiben, von seinen Golfplätzen, für die er Umweltschutz-Preise bekommen hat  – und schließt seine langen Vortrag: „Manchmal sage ich, dass ich in Wirklichkeit ein Umweltschützer bin und in manchen Fällen lächeln die Leute darüber. Und andere Leute, die mich kennen, wissen, dass es stimmt. Unvoreingenommen.“
  • Das Protokoll vermerkt auch, wenn das Mikrofon ausgeschaltet wird – einmal geschieht es, als Trump über Syrien nur unter Drei sprechen will: „Wir müssen den Wahnsinn in Syrien beenden. Eine Sache, die mir zugetragen wurde – kann ich das vertraulich sagen, oder wird alles protokolliert?“ Der Verleger stimmt zu: „Wenn Sie etwas Vertrauliches sagen wollen, haben wir abgemacht, dass Sie das tun können. Meine Damen und Herren, wir reden einen Augenblick lang vertraulich miteinander.“ Das Protokoll vermerkt: „(Trump sagt etwas Vertrauliches)“
  • Trump sortiert die Redakteure nach dem Motto des Aschenputtel-Märchens: „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.“ Michael D. Shear, der Korrespondent im Weißen Haus, ist ein Guter: „Wir sehen uns dort! „, scherzt Trump mit ihm und alle lachen. Der Verleger ist ein Guter: „Sie können mich anrufen, Arthur, Sie können mich anrufen.“ Die Leitartiklerin Maureen Dowd kommt ins Kröpfchen: „Die einzige, die mich nicht anrufen kann, ist Maureen. Sie packt mich zu hart an. Ich weiß nicht, was mit Maureen los ist!“
    Keiner protestiert.
  • Die letzte Frage stellt Geschäftsführer Mark Thompson: Wird Trump den Verfassungsrang der Pressefreiheit respektieren? Und Trump, wie ein guter Kumpel, antwortet: „Ich denke, es wird Ihnen gut gehen.“ Der Verleger dankt: „Ich weiß das wirklich zu schätzen.“ Und Trump dankt zuckersüß zurück: „Es ist eine große Ehre. Die Times ist ein großartiges, großartiges amerikanisches Juwel. Ein weltweites Juwel. Und ich hoffe, wir werden alle miteinander auskommen. Wir wollen dasselbe, und ich hoffe, wir werden alle miteinander auskommen.“

Dann gehen alle mit einem sichtbar entspannten Trump zum Mittagessen. Es gibt Lachs und Steak.

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Der komplette Beitrag in der Kolumne JOURNALISMUS! auf kress.de:

/ https://kress.de/news/detail/beitrag/136537-hi-julie-wie-die-new-york-times-ein-gespraech-mit-trump-fuehrt.html

Das Trump-Interview der New York Times hat Bild übersetzt und online gestellt.

 

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