Der Fehler-Eisberg
Wie viele Fehler korrigiert die „New York Times“ in einem Jahr? 3500 in der Zeitung und weitere 3500 in der Online-Ausgabe – doch das sei höchstwahrscheinlich nur ein Bruchteil der Fehler, die tatsächlich vorkommen, schreibt Arthur S. Brisbane in „The Error Iceberg“ (in der Sonntagsausgabe der New York Times“ vom 25. Februar 2012).
Die „New York Times“ bezahlt laut Brisbane einen eigenen Redakteur, der sich nur um Fehler und Korrekturen kümmert: Der erfahrene Blattmacher Greg Brock. Er schätzt, dass die Times im Jahr rund 14.000 Hinweise auf Fehler erhält. So ist die Korrektur in der Zeitung organisiert:
• Beschwerden über Fehler werden an 34 ausgesuchte Blattmacher (Editors), Korrektur-Redakteure in den Ressorts, weitergeleitet.
• Offensichtliche Fehler werden sofort korrigiert.
• Widersprechen Reporter, Blattmacher und Korrektur-Redakteur, muss Brock entscheiden.
• Sieht es so aus, als habe die Redaktion einen Fehler gemacht, aber nicht herausbekommt, was richtig ist, gibt es keine Korrektur.
• Manchmal, wenn ein großes Durcheinander herrscht, leitet er eine Entscheidung an einen stellvertretenden Chefredakteur weiter.
• Brock bedient eine Datenbank, um zu erkennen, welche Ressorts und welche Journalisten auffällig oft Fehler machen.
Arthur S. Brisbane endet seinen Essay: „Es ist schwer zu sehen, wie viel vom Fehler-Eisberg wirklich sichtbar ist. Aber sicher ist: Je mehr Korrekturen man in der „New York Times“ sieht, desto besser.“
(Den Hinweis auf diesen Artikel gab Andreas Kemper, Leitender Redakteur der „Main Post“, auf seiner Facebook-Seite)
Über Fehlermanagement in Zeitungen berichtet auch Henning Noske im zweiten Teil des Interviews zu seinem Journalismusbuch, den wir am 15. Februar hier veröffentlichten.
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In der aktuellen Ausgabe unseres „neuen Handbuchs des Journalismus und des Online-Journalismus“ haben wir einen langen Passus über Fehler in den Zeitungen aufgenommen (Seite 96):
„Die Hälfte aller Artikel sind fehlerhaft, fand Professor Philip Meyer heraus, der an der Universität von North Carolina forscht. Über zwei Jahre ließ er 7600 Artikel von 22 US-Zeitungen überprüfen und stellte fest:
• 48 Prozent der Artikel irrten sich in mindestens einem Fakt; durchschnittlich fielen drei Fehler auf.
• Die häufigsten Fehler: Zitat falsch wiedergegeben (21 %), ungenaue Überschrift (15 %), falsche Zahlen (13 %), Rechtschreibfehler (10 %).
• Die Redakteure gaben als Grund für ihre Fehler an: Ich habe die Sache nicht verstanden (26 %); ich habe nicht genügend oder falsche Fragen gestellt (25 %); der Redaktionsschluss drohte (19 %); meine Recherche war lückenhaft (19 %), oder einfach: Ich war zu faul (10 %).
Eine ähnliche Studie in Lugano zeichnet ein noch düstereres Bild: 60 Prozent der Artikel in Schweizer Zeitungen, darunter Tages-Anzeiger und Basler Zeitung, sowie 52 Prozent in italienischen, darunter Il Secolo, weisen Fehler auf. In beiden Ländern ist jede vierte Überschrift falsch, ein fast doppelt so hoher Wert wie in amerikanischen Zeitungen.
Fehler sind an der Tagesordnung, stellten auch Studenten in Hamburg und im holländischen Tilsit fest, als sie größere Artikel systematisch untersuchten. Als Grund machten sie neben Zeitdruck und fehlenden Ressourcen auch die trügerische Leichtigkeit der Internet-Recherche aus.“
(zu: Handbuch-Kapitel 17 „Die eigene Recherche“)
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