Wörter haben eine Seele oder: Journalisten sind für die Wirkung ihrer Texte verantwortlich

Geschrieben am 6. Mai 2013 von Paul-Josef Raue.

Wo ist Ihr Mitgefühl?

fragt ein Leser nach der Lektüre einer Kolumne, die sich mit dem Dativ beschäftigte: Ist es richtig, in der Überschrift zu schreiben „Mädchen ertrinkt in Ententeich“ – oder muss es heißen „Mädchen ertrinkt im Ententeich“?

Der Leser weiter:

Ein zweijähriges Mädchen ist durch unglückliche Umstände ertrunken. War es nun im oder in Ententeich, das war Ihnen eine Kolumne wert. Fragen Sie mal die Familie, wie wichtig in diesem Fall der Dativ für sie ist.

Meine Antwort:

Sie haben Recht, und Sie haben auch ein Recht darauf, dass ich um Entschuldigung bitte. Zudem ärgere ich mich. Denn in meiner Kolumne „Friedhof der Wörter“, die montags auf der Kultur-Seite erscheint, schreibe ich mit einer Beharrlichkeit, die manche Deutschlehrer ebenso irritiert wie einige der Gebildeten unter unseren Lesern:

Unsere Sprache ist keine Maschine, die nach einem Takt läuft, der einmal festgelegt wurde. Unsere Sprache spiegelt unser Leben wieder, sie ist die Seele der Gesellschaft.

Es reicht also nicht, korrekt zu schreiben. Wichtiger als jeder korrekte Dativ, wichtiger als die perfekte Grammatik ist die Wirkung, die wir mit den Wörtern erzielen.

Wir sind verantwortlich dafür, dass wir korrekt schreiben, aber wir sind auch verantwortlich dafür, was wir anrichten mit den Wörtern. Wir können mit Wörtern ebenso verletzen wie mit dem Sprechen über Wörter, wie mit dem Sprechen über Regeln der Wörter und Sätze. Wörter fordern den Verstand, aber sie berühren auch unsere Seele.

Unsere Sprache ist uralt, reicht zurück in die Steinzeit des Denkens und Fühlens. Also müssen wir den Wörtern und Regeln misstrauen, den alten und erst recht den neuen. Denn die Sprache ist für die Menschen da und nicht umgekehrt.

Der Teufel trifft sich in der von Goethe ausgeschmückten Hexenküche mit Faust. Es ist dieser neugierige Mensch, der entdecken will, was sein Leben und die Welt im Innersten zusammenhält.

„So schwätzt und lehrt man ungestört“, doziert der Teufel als Sprachkritiker und fügt hinzu:

„Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“

Thüringer Allgemeine, unredigiert, 4. Mai 2013 (Leser fragen)

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