Bednarz-Interview: Überleben an der Wickelfront

Geschrieben am 2. Mai 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 2. Mai 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles.

In seiner Elternzeit schrieb Dieter Bednarz, „Spiegel“-Experte für den Nahen Osten, einen Bestseller: „Überleben an der Wickelfront“, den das ZDF verfilmte und mit Uwe Ochsenknecht am  Donnerstag um 20.15 Uhr ausstrahlt. Hier das Gespräch mit Bednarz (TA vom 28. April 2012):

Sie packen plötzlich ihren Koffer, um in den Iran zu fliegen. Sie schreiben Bücher. Sie sind ein glücklicher, aber auch geforderter Vater von drei Kindern. Wie kriegen Sie das hin?

Bednarz: Meine Frau Esther und ich bemühen uns, der Hektik des Alltags mit Gelassenheit beizukommen. Wir versuchen immer wieder, auch für uns selbst, Zeit freizuschlagen, in der wir nicht Eltern, nicht Juristin und Journalist sind, sondern wieder das Paar, das dankbar ist, sich gefunden zu haben. Diese Momente der Glückserneuerung sind leider rar.

Sie schreiben unterhaltsam, aber lassen auch kein Problem aus: Karriere und Kinder! Kinderzeugen aus dem Labor! Schwierige Schwiegermutter! Taucht dies auch im Film auf? Oder ist er pure Unterhaltung?

Bednarz: Der Film spart das alles nicht aus. Aber Uwe Ochsenknecht und Valerie Niehaus spielen es unter der Regie von Titus Selge wirklich so wunderbar, dass es trotz der Ernsthaftigkeit ein richtig schöner Film geworden ist, der bestimmt vielen Ihrer Leser gefallen wird.

Journalisten sind mitunter garstige Zeitgenossen, vor allem Kollegen. Wurden Sie nach dem Buch und vor dem Film oft gehänselt, ironisch traktiert oder gar ausgelacht?

Bednarz: Dass mir ein Kollege schon Mal „Allzeit volle Brust!“ gewünscht hat, war wohl unvermeidlich. Aber eigentlich waren alle sehr hilfsbereit. Ältere haben bedauert, dass sie solche Chancen nicht hatten, jüngere haben sich selbst geschworen, auch eine Auszeit zu nehmen, wenn sie Vater werden.

Hatten Sie vor der Elternzeit, die Sie genommen haben, Sorge um Ihre Karriere? Und wie war’s danach?

Bednarz: Ehrgeizig war ich schon, es gab auch ein Liebäugeln mit einem Aufstieg in der Hierarchie. Aber das sollte dann nicht sein. In der Elternzeit habe ich mich erst gefreut: Hurra, ich bin draußen und frei, während andere in der Redaktion gegrillt werden.
Nach einiger Zeit kam dann die Unsicherheit, vielleicht doch abgeschrieben zu werden, als Würstchen durch den Rost zu fallen. Heute – mit Blick auf drei wunderbare Kinder und eine großartige Frau sowie den schönen Erfolg mit der „Wickelfront“ – bin ich sehr dankbar, dass alles so gekommen ist.

Macht der Film älteren Männern Mut aufs Kinderkriegen?

Bednarz: Der Film zeigt nicht nur einen Mann, der kämpft, mitunter auch mit seinen eigenen Erwartungen und Ansprüchen, sondern auch ein Paar, das in seiner Überforderung dann auch miteinander ringt. Aber Esther und Dieter verlieren nicht den Glauben an sich selbst – und damit machen sie sicher vielen Menschen Mut.

Den Dieter im Film spielt Uwe Ochsenknecht. Der sieht verdammt gut aus. Ist das ein Problem für Ihre Frau?

Bednarz: Ich beneide Uwe Ochsenknecht um seine – verglichen mit mir – Löwenmähne. Und ich habe ihn auch als sehr guten Typen kennengelernt. Ich glaube, Esther würde ihn mögen. Valerie Niehaus ist aber auch sehr attraktiv…

Im Vertrauen: Ist Uwe Ochsenknecht besser als Dieter Bednarz?

Bednarz: Als Uwe mich vor ein paar Tagen in Berlin bat, ihm ein Buch zu signieren, habe ich zumindest als Widmung hineingeschrieben:
„Für Uwe – den besseren Dieter…“

Gefällt Ihnen der Film?

Bednarz: Der Film trifft die Atmosphäre sehr gut. Das beste Kompliment für den Film stammt von meiner Schwiegermutter. Sie hat ihn mit Esther und mir gemeinsam gesehen und meinte lächelnd: „Tja, so könnte es gewesen sein.“

Sprechen wir nun mit dem wohl besten Iran-Kenner im Journalismus. Sie kennen viele mächtige Leute in Iran, sind oft durch das Land gereist. Müssen wir Angst haben vor dem Iran?

Bednarz: Was im Iran geschieht, ist bedrohlich. Besonders in Israel haben viele Menschen Angst vor der Vernichtung durch eine iranische Bombe; das verstehe ich daher gut. Niemand möchte eine weitere Atommacht – weder in der Region noch anderswo. Doch eine akute Bedrohung des Weltfriedens durch den Iran sehe ich nicht. Das Regime pocht auf sein gutes Recht zur friedlichen Nutzung der Urananreicherung – und will dabei nicht einsehen, dass es durch sein eigenes Verhalten dieses Recht so gut wie verwirkt hat.

Kurz vor dem heftig debattierten Grass-Gedicht haben Sie mit Ihrem Kollegen Erich Follath eine lange, tief gründende Titelgeschichte im Spiegel geschrieben zu Israel und dem Iran. Was ist los in unserer Gesellschaft, dass ein mäßig kluges und von Vorurteilen durchsetztes Gedicht mehr aufregt als eine gründliche Analyse?

Bednarz: Wenn es um den Iran und Israel geht, fällt vielen Menschen eine sachliche Diskussion schwer. Da gibt es die ganz Verbissenen, die Emotionen schüren und instrumentalisieren, die Gutmenschen, denen kritische Distanz fehlt und jede Menge Uninformierte, die trotzdem laut mitreden. Und die Person Grass ist selbst nicht unumstritten – und eher Katalysator als Erklärer.

Gibt es Krieg?

Bednarz: Dies weiß niemand – vielleicht wissen es noch nicht einmal jene, von denen wir annehmen, dass sie diesen Krieg vielleicht auslösen. Ich kann nur hoffen, dass niemand glaubt, einen Krieg führen zu müssen, nur weil er damit gedroht hat. Das Letzte, was die Krisenregion Nah- und Mittelost braucht, ist ein neuer Waffengang.

  • „Überleben an der Wickelfront“ – Donnerstag, 3. Mai, 20.15 Uhr, ZDF

 

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 „Die Journalisten“)

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