Unbedingt am Donnerstag anschauen: Bednarz‘ „Wickelfront“
Wie ergeht es einem Spiegel-Redakteur mit Karriere-Ambitionen, aber schon nahe der 50, wenn nach vielen Fehlversuchen plötzlich Zwillinge ein spätes Vaterglück bescheren? Dieter Bednarz ist der Spiegel-Experte für den Nahen Osten, vor allem Iran und Israel. Er nimmt mehr als zwei Jahre Auszeit, überlässt seiner Frau, einer erfolgreichen Anwältin, die Karriere und zieht an die „Wickelfront“.
Gerade beim SPIEGEL sollte meine Sorge, die Teil-Auszeit könnte dem beruflichen Weiterleben schaden, unbegründet sein. Zwar herrschte schon immer ein eher rauer Ton im Haus. Aber es stimmt einfach nicht, dass einer unserer Chefredakteure je handgenähte Schuhe aus der Haut seiner Redakteure getragen hätte…
Richtig ist aber, dass manche Kollegen vorne gratulieren und hinten sticheln.. Es geht auch darum, dass all jene Kollegen und Kolleginnen umdenken, die sich bewusst für ihre Karriere statt für eine Familie entscheiden, denen ihre Geschichten nun mal wichtiger sind als die Geburt ihrer Kinder.
So Dieter Bednarz in seinem Bestseller „Überleben an der Wickelfront“, das er nach den Vaterjahren geschrieben hat und das am Donnerstag um 20.15 Uhr im ZDF als TV-Film zu sehen ist. Es ist ein gelungener Journalisten-Film, in dem endlich Journalisten nicht als Karikaturen wie Baby Schimmerlos oder als gierige Paparazzi gezeigt werden – sondern als verletzliche Wesen, besonders die späten Väter, als verletzende, besonders im Karriere-Kampf, um überhebliche, besonders in leitenden Positionen.
Die anrührendste Szene des Films, in dem Uwe Ochsenknecht den Bednarz gibt, spielt im Garten der iranischen Botschaft in Berlin. Da der Wickel-Vater vom Schreiben nicht lassen kann, macht er heimlich ein Interview mit dem iranischen Aussenminister aus. Er findet keinen Babysitter, verzweifelt und nimmt einfach die Zwillinge in die Botschaft mit. Die Sicherheitsleute sind entsetzt, der Außenminister aber entzückt. Er geht mit den Dreien in den Garten und gibt ein exzellentes Interview.
Also: unbedingt anschauen. Der Film ist gute Unterhaltung, weil er schwere Themen leicht, aber nicht oberflächlich serviert: Schlaflose Nächte, nervende Kinder, alltägliche Katastrophen, schwerste Ehekrisen, schlechtes Gewissen der „Rabenmutter“, Karriere-Entzug mit schwersten Symptomen, Mobbing der Kollegin, die ihre Chance wittert, nervende und besserwissende Schwiegermutter usw.
Dieter Bednarz lobt den Film, zumal er eine 3-Sekunden-Statistenrolle spielt – als glatzköpfiger Kellner.
Und wie war’s danach? Die Karriere war vergessen, aber Bagdad gab’s noch immer:
Es muss sein, weil ich nach 30 Monaten Windelduft und Muttermilcharoma raus will aus der Papa-Mama-Kind-Symbiose, die mit den Atem raubt: Sie war höchstes Glück, weil ich mich nie zuvor so innig, zärtlich und offen erlebt habe; sie war tiefste Verunsicherung, weil ich nie zuvor so verletzlich, so dünnhäutig war; beides schnürt mir die Kehle zu.
Der „Stern“ gibt in seinem TV-Magazin nur drei Punkte und schreibt: „Kann das wahr sein? – Nee, aber ganz lustig.“ Demnächst bitte mal wieder das Buch zum Film lesen oder gar mit dem Kollegen von der Konkurrenz sprechen.
Überleben an der Wickelfront, ZDF, Donnerstag, 3. Mai, 20.15 Uhr
BUCH: Dieter Bednarz, Überleben an der Wickelfront. DVA, 17.95 (Taschenbuch 9.95; E-Book 8.99 €)
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