„Dies ständige Geduze“ – Was ist ein gutes Interview (2)?

Geschrieben am 12. Januar 2016 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 12. Januar 2016 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, B. Die Journalisten, G 26 Interview.

Ute, Du feierst nun Deinen 60. Geburtstag. Ist das ein Datum, bei dem man als Künstlerin nachdenklich wird oder die Krise bekommt?

So fragt der Interviewer die Sängerin Ute Freudenberg, die vor 60 Jahren in Weimar geboren wurde (12. Januar 1956). Wenn sich Journalist und Sängerin kennen, ist das im Gespräch normal. Aber bleibt das „Du“ auch in der gedruckten Fassung stehen? Die in Weimar erscheinende TLZ druckte das Du durchgehend in einem ausführlichen Interview:

Wenn Du Dich an Deinem Geburtstag morgens an den Frühstückstisch setzt und vielleicht ein bisschen zurückblickst, gibt es da etwas, was Dir spontan einfällt als der große Punkt oder entscheidende Moment in Deinem Leben?

Kein Du – so wäre die Antwort, weil der Leser eine Distanz zwischen Journalist und Interview-Gast erwartet. Fehlt diese Distanz, geht der Leser davon aus, dass keine kritischen Fragen gestellt werden oder in der Autorisierung wegfallen.

Vielleicht ein Du – wenn es um Unterhaltung geht – wie im Freudenberg-Interview -, wenn der Leser kein kritisches Interview erwartet, vielleicht sogar die Nähe zur beliebten Sängerin schätzt; auch im Fernsehen ist in Unterhaltungs-Shows das Du nicht ungewöhnlich.

Der ARD-Journalist Christoph Maria Fröhder hatte allerdings in einem Spiegel-Interview die sprachliche Verlotterung in Tagesschau und Tagesthemen angeprangert:

Mich nervt diese sprachliche Verlotterung! In den Beiträgen wimmelt es von Grammatikfehlern. Da ist die Anmoderation des Sprechers identisch mit den ersten zwei Sätzen des Films. Und dann dieses ständige Geduze! Jeder Korrespondent wird mit Vornamen aufgerufen. Es ist dem Zuschauer gegenüber unhöflich, es ist ärgerlich.

 

 

3 Kommentare

  • Nein, das ewige „Geduze“ ist nicht nur der Ausdruck einer gewissen „Verlotterung“ unserer Muttersprache, es ist auch ein Ausdruck des Trends, dem unsere Sprache mit den „Gedanken der 68iger“ unterwandert wurde und wird. „Multi-Kulti-scheißegal“, wie es mal ein Herr J. Fischer prägte, kommt auch darin zum Ausdruck. Ein „Sie“ oder „du“, wo es hin passt, das ist i.O.. Alles Andere bedeutet Abkehr von kulturellen Normen, die bislang unsere Muttersprache u.a. verkörpert und geprägt haben.

  • Mich nervt „dies ständige Geduze“ gar nicht. Mich nervt eher die Formulierung „Sie, Wolfgang“, die nach angelsächsischer Art in deutschen Landen als kurz vor dem „Du“ nachempfunden wird. Falls man sich auf den ersten Blick schon sympthatisch ist, passt und funktioniert das „Du“ sofort. Es gab mal eine Zeit, da haben sich Studenten und Professoren „geduzt“. Was nichts daran geändert hat, dass der Prof im Examen gute und schlechte Noten verteilte. Dieses Geduze sollte man ebenso locker nehmen wie dieses „Sie“. Selbst in EU-Nachbarländern haben sich diesbezüglich Konventionen gelocktert, die auf Etikette einmal großen noblen Wert legten. Wenn man isch duzt, bedeudet dies doch nicht, dass man sich in jeglicher Hinsicht miteinander umgehend gemein macht. Ich plädiere für dieses DU; das ja auch nicht nur im Internet Standard ist. Mich jedenfalls juckt dies gar nicht, geduzt zu werden. Im Job bilden sich ohnehin Rangstufen aus, die gelegentlich auch mit Chefpositionen kollidieren…

  • Mich stört und juckt diese „Duzererei“ gar nicht. Mich würde es mehr nerven, ständig mit „Sie, Wolfgang“, eine edle Vorstufe zum „Du“ oder „Herr Kretschmer“ angesprochen zu werden. Was ich hinter mir habe. Ich sage gerne zu Jüngeren und Älteren, mit denen ich zusammenarbeiten muss: „Ich bin der Wolfgang“. Dass sich wackelige „Rangordnungen“ herausbilden, versteht sich von selbst. Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, wird sich dieser „Duzerei“ verweigern, aus der nur ewig Gestrige sich selber ein Problem machen. Wie gehen die mit Fauen um? „Wertes Fräulin darf ichs wagen, Ihne meine Hand anzutragen?“ Dies mag vielleicht in mittlerweile kahlen Hütten von an prominent gelegenen Verbindungshäusern funktionieren,Also, ich habe nichts gegen diese Art von Duzerei, die auch in nordeuropäischen Ländern üblich ist. So genannte Rangstufierung bildet sich ohnehin heraus. Da ist es doch ganz gut, wenn man sich bei Gelegenheit per Du mal ein paar klare Worte sagen kann.

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