Wickert zum 70.: „Es reicht, keine Angst zu haben“

Geschrieben am 2. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 2. Dezember 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

Wieviel Misstrauen braucht ein Journalist? Wenig, meint Ulrich Wickert, der heute, am 2.  Dezember 2012, seinen  70. Geburtstag feiert. „Eine der wichtigen Eigenschaften eines Journalisten sollte sein, Vertrauen zu schaffen“, sagt Ulrich Wickert in einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen.

Eigentlich wollte er kein Journalist zu werden. Dämlich habe er sich im ersten Gespräch mit einem Fernsehdirektor angestellt: Wer das in seinem neuen Buch „Neugier als Lebensmotto“ lese, werde sich biegen vor Lachen. „Aber ich wurde Journalist, weil dies wohl – ohne dass ich es bewusst als Lebensziel sah – meiner tiefen Neigung entsprach.“

Hans Leyendecker schreibt in der Süddeutschen Zeitung (1.12.2012), ein wenig resignierend über den Beruf des Journalisten: „Wickert gehört zu den Glücklichen, die einen Sinn in all dem Schaffen erkennen können.“

Was ist Wickerts Glück, Leyendecker folgend:

  • Rheinischer Optimismus
  • Der nie beirrte Glaube an den Sinn journalistischer Arbeit
  • Der nie schwindende Glaube an die Aufklärung (der bei anderen in der Regel mit dem Alter abhanden kommt)
  • Fehlender Zynismus („Zynismus wird in diesem Beruf  Erfahrung genannt“)
  • Realismus statt Resignation
  • Weltenbummler
  • Nachrichtenversessen (liest morgens Herald Tribune, Le Monde und drei weitere Zeitungen,  schaut Tagesschau, Tagesthemen und Dokumentationen bei Arte)
  • Charmant, sehr gelassen, erstaunlich normal (im TV-Studio wie beim Einkaufen im Gemüseladen)

Einem jungen Menschen gibt Wickert im Interview der Thüringer Allgemeine den Rat, Journalist zu werden – „wenn er Neugier als Lebensmotto anerkennt, dann soll er es versuchen“.

Im Gegensatz zu seiner Generation, die eine „Generation ohne Angst“ war, erlebten die jungen Leute in ihrer Generation heute „schon von jung an die Sorgen des Lebens: Sie lebt in der Schule unter Erfolgsdruck, sie fragt nach der Ausbildung: Bekomme ich einen Beruf, in dem ich angemessen verdiene? Kann ich mir eine Wohnung leisten? Muss ich mir Gedanken über meine Zukunft bis hin zur Rente machen?“

Sein Rat lautet: „Es reicht, keine Angst zu haben. Das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Lebens.“

Kritisch geht Wickert, der die Welt kennt, mit seinem Heimatland um: „In Deutschland heißt es häufig: Das haben wir noch nie gemacht! Das geht nicht! Das ist verboten – eine besonders beliebte Phrase! Dafür fehlen die Richtlinien! usw. Allein die Gründung von Microsoft in einer Garage wäre an Bestimmungen gescheitert, weil man in einem Raum ohne Fenster nicht arbeiten darf!“

Das komplette TA-Interview: Freiheit ja viel damit zu tun, dass man machen kann, was man für richtig hält

(zu: Handbuch-Kapitel 2-4 Der Journalist)

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