Drei Gründe für den Niedergang der Frankfurter Rundschau

Geschrieben am 14. November 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 14. November 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Lokaljournalismus.

Die Frankfurter Rundschau meldet Insolvenz an. Der ökonomischen Absturz folgte der Hybris, als eine überregionale Zeitung gelten zu wollen; aber „Karstadt“ auf der Zeil als Werbekunde interessierte sich nicht für den Oberstudienrat in Husum, so dass die Expansion in grüne Deutschland mehr Geld kostete als sie einbrachte. Parallel war der journalistische Niedergang zu beobachten. Der hat drei Gründe:

1. Die Redaktion hat sich mehr mit sich selber als mit den Lesern beschäftigt. Es gab nach den achtziger Jahren, als die Grünen aufstiegen, keinen regionalen Lesermarkt mehr für eine politische Richtungs-Zeitung. Überregional hatte sich die Süddeutsche Zeitung als liberale, leicht nach links strebende Zeitung etabliert; die SZ hatte die stärkeren Autoren, recherchierte mehr und tiefer – sie bot eben mehr als starken Meinungsjournalismus.

Der Aufmacher der Montagausgabe (12.11.2012) ist aufschlußreich: „Grüne Wende“ beschreibt die Öffnung der Grünen „hin zu größeren Wählerschichten“. Was den Grünen  gelang, hat die FR nicht geschafft: Sie öffnete sich nicht, sie blieb in ihrem alten Milieu.

2. Die FR hat sich nie als die Stadtzeitung für Frankfurt und den reichen Speckgürtel verstanden. Immerhin erscheint die Zeitung in der reichsten Region Deutschlands, hat eine potentielle Leserschaft, die für jeden Werber interessant sein musste. Doch in der Stadt und im Umland stiegen Bild-Frankfurt und die Frankfurter Neue Presse zu den Stadtzeitungen auf, die das Bürgertum bedienten. Noch ein Blick in die Montagausgabe: Von acht Themen, die auf der Titelseite angerissen werden, ist keines aus dem Rhein-Main-Gebiet.

3. Das Tabloid-Format ist ungeeignet für eine Regionalzeitung, die vor allem Familien erreichen will: Wer die Zeitung nicht teilen kann (Lokal-Sport-Mantel), sondern nur in einem Stück lesen kann, der verliert in der Familie den Überblick. Der gefeierte Tabloid-Fortschritt war ein Rückschritt, wahrscheinlich der entscheidende. Die Redaktion samt Verlag hat die Leserschaft, zumindest eine ausreichend große Leserschaft, nicht respektiert, erst recht nicht verstanden.

 

Dazu der Leitartikel von Gustav Seibt in der Süddeutschen vom 17. November 2012:

Als die Krise nicht mehr zu leugnen war, reagierten die Verantwortlichen panisch: Sie warfen ein altes, nur renovierungsbedürftiges Layout über Bord, änderten aber wenig an Kommentaren, die ausrechenbar geworden waren.

(zu: Handbuch-Kapitel 57 Wie können Zeitungen überleben)

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