Ein „dicker Fehler“ in der Zeitung oder: Müssen Journalisten die deutsche Sprache beherrschen? (Friedhof der Wörter)

Geschrieben am 10. Juli 2015 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 10. Juli 2015 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

„Wie nachlässig arbeiten Ihre Redakteure eigentlich?“ fragt eine Familie – ja, gleich eine komplette Familie. „Es ist für uns Leser eine Zumutung, was uns seit Jahren in der Zeitung sprachlich geboten wird.  Gilt für Journalisten nicht, dass man diesen Beruf nur ergreifen sollte, wenn man die deutsche Sprache sehr gut beherrscht?“

Der Grund für die Generalkritik ist eine Überschrift im  Lokalteil: „Da ist Ihren Redakteuren wieder so ein ,dicker‘ Fehler passiert, dass wir uns diesmal wirklich über die Arbeitsweise beschweren wollen. Es geht um das Foto mit der Information „Email-Symposium…“. Gemeint ist aber offensichtlich ein Emaille-Symposium! Wir fragen uns, wie solche mehr als Sinn entstellenden Fehler passieren können.“

Der Chefredakteur antwortet in seiner Samstag-Kolumne „Leser fragen“:

Sie haben Recht: Es sind immer wieder Fehler in unserer Zeitung. Und es stimmt: Jeder Fehler ist ein Fehler zu viel. Gleichwohl arbeiten Redakteure, die Artikel gegenlesen, wie auch unsere Korrektoren daran, eine möglichst fehlerfreie Zeitung anzubieten.

Täglich stehen rund 35.000 Wörter auf unseren Seiten. Selbst wenn wir 35 Wörter falsch schrieben (was selten vorkommen dürfte), sind wir gerade bei einem Promille!

Kommen wir zum „dicken Fehler“: Laut Duden ist er keiner. Email, der Schmelzüberzug auf Metall, schlingert in der Geschichte unserer Sprache zwischen Email und Emaille hin und her. Im 18. Jahrhundert dominiert das sächliche Email; im 19. Jahrhundert dringt das Französische mit Gewalt in unsere Sprache, so wie heute das Englische drängt: Die weibliche Emaille setzt sich durch.

Heute finden wir „Email“ im Duden fett als Haupteintrag und „Emaille“ als mageren Nebeneintrag; in der Alltagssprache wiegt die „Emaille“ schwerer – wobei viele sich schwer tun mit der korrekten Schreibweise wie bei den meisten französischen Lehnwörter. Oder schreiben Sie auf Anhieb das französische Geldtäschchen richtig: Portemonnaie?

Allerdings bekommt das Email gerade einen starken englischen, zudem weiblichen Konkurrenten: Die E-Mail, der digitale Brief, der zwar korrekt mit Bindestrich geschrieben wird, aber ab und an schon geschrieben wird wie der Schmelzüberzug. Da kollidieren zwei Wörter – und wie stets in einer lebendigen Sprache weiß keiner, wie der Kampf ausgehen wird.

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Thüringer Allgemeine, Friedhof der Wörter, 13. Juli 2015 (geplant)

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