FAZ kehrt zu den „Zigeunern“ zurück

Geschrieben am 12. April 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 12. April 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

In den deutschen Zeitungen vermeiden es nahezu alle Journalisten sorgsam, „Zigeuner“ zu schreiben; der Begriff gilt als diskriminierend. Bei den meisten wird es Einsicht sein, bei den übrigen die Furcht vor einer Rüge des Presserats oder dem Zorn des Chefredakteurs.

Die FAZ nutzt mittlerweile wieder die Bezeichnung „Zigeuner“, wenn sie beispielsweise über die Unruhen in Ungarn berichtet. In einem Interview mit dem ungarischen Innenminister wechselt sie sogar die Begriffe, schreibt mal von „Roma“, mal von „Zigeunern“.

Auf der Medienseite vermeiden die FAZ-Redakteure die Bezeichnung „Zigeuner“, wenn sie über die Klagen gegen die Schweizer „Weltwoche“ berichten. Diese hatte ein Titelbild gebracht, auf dem ein Junge mit einer Pistole zu sehen ist: „Die Roma kommen: Raubzüge in der Schweiz“. Die Klagen beziehen sich auf die generalisierende Überschrift, in der alle Roma als Kriminelle dargestellt werden. Debatten löst auch das Titel-Foto aus, das nicht in der Schweiz, sondern 2008 auf einer Müllhalde im Kosovo entstanden ist.

In Deutschland hatte der „Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“ vor zehn Jahren eine heftige Debatte ausgelöst, als er erstmals eine Sammelbeschwerde beim Presserat eingereicht hatte mit Beispielen von vermeintlich diskriminierenden Artikeln in deutschen Tageszeitungen. Der Zentralrat gibt die Sammelbeschwerde stets am 7. Dezember ab und erinnert so an den Jahrestag eines Erlasses des Nazi-Innenministers Frick: Bei Straftaten von Juden ist in der Presse die Rassenzugehörigkeit hervorzuheben.

Der Presserat hat einige Rügen ausgesprochen, wenn es keinen sachlichen Grund gab, in Polizeiberichten auf die Roma hinzuweisen. Eine der Rügen ging 2009 an die „Offenbach Post“, die in einem Bericht über Frauen „südländischen Aussehens“ geschrieben hatte, sie seien „alle einwandfrei einer Volksgruppe zuzuordnen, deren Namen eine Zeitung heute nicht mehr schreiben darf, weil sie sich damit garantiert eine Rüge vom Presserat einhandelt“.

Das ist laut Presserat eine „ironisch-herabsetzende Umschreibung“.

(zu: Handbuch-Kapitel 49 „Wie Journalisten entscheiden sollten“ und Service B. „Medien-Kodices“, hier Pressekodex Ziffer 12, Seite 368)

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