Journalismus und PR: Was sie trennt. Was sie verbindet.

Geschrieben am 9. März 2017 von Paul-Josef Raue.

 

Sabine Adler ist Osteuropa-Korrespondentin des Deutschlandfunks (Foto: Deutschlandradio / Bettina Straub)

Sabine Adler ist Osteuropa-Korrespondentin des DLF (Foto: Deutschlandradio / Bettina Straub)

Ulrike Demmer war Redakteurin der Madsack-Redaktionen in Berlin. Sie wechselte ins Presseamt und ist stellvertretende Regierungssprecherin. Sabine Adler war Korrespondentin des Deutschlandfunks und wurde Sprecherin des Bundestagspräsidenten; sie kehrte nach knapp einem Jahr vom PR-Job zurück in die Redaktion: „Man wird mundtot gemacht; ich fand das furchtbar. Man büßt doch ein hohes Maß an Freiheit ein“, sagte sie in einem Zapp-Interview.

Auch wenn immer mehr gut ausgebildete Redakteure in die PR wechseln, rümpfen die meisten fest angestellten Redakteure die Nase, wenn sich Pressesprecher oder PR-Leute Journalisten nennen. Klaus Kocks, der letzte VW-Sprecher mit Vorstandsrang, ärgert sich über solche Redakteure, „die sich auf dem Ruhekissen der vierten Gewalt räkeln“ und spottet über die „Speichelleckerei gegenüber Lobbying, über die Bequemlichkeit, mit der einige nachbeten, was andere vorsetzen“.

Redakteure, die – ohne sich zu räkeln – in der Unabhängigkeit bleiben, ärgern sich umso mehr, wenn sogar Leser ihre Unabhängigkeit anzweifeln. Degradieren sie ihre Leser zu besseren Pressesprechern, reagieren sie wie Henning Noske, der Lokalchef der Braunschweiger Zeitung ist; er schrieb vor wenigen Tagen in seiner Kolumne „Offen gesagt“:

Kürzlich las ich in einem unserer Internet-Kommentarforen: ‚Herr Noske macht seinem Ruf als Pressesprecher der BISS wieder alle Ehre.‘ Die BISS, das ist die ,Bürgerinitiative Strahlenschutz‘ im Braunschweiger Norden. Zu viel der Ehre, liebe Kommentatoren. Denn wenn einer Pressesprecher wird, muss er sich aus der Redaktion verabschieden. Pressesprecher ist ein ehrenwerter Beruf, den viele Journalisten einschlagen und klasse ausüben. Klar ist allerdings auch: Sie verbreiten Informationen und Wahrheiten, die im Interesse ihres Unternehmens oder ihrer Organisation liegen. Die Zeitung – gedruckt oder online – leistet sich ein Leser, der unabhängig und unvoreingenommen informiert werden will.

Die Pressefreiheit, die unsere Verfassung garantiert, gilt eben nicht für Pressesprecher und Lobbyisten, auch wenn sie mitunter meinen, Parteien und  Politiker, für die sie arbeiten, würden sie verleihen und garantieren – und auch einschränken, wenn es sein muss.

Der Public Relations-Sektor wächst, der Journalismus schrumpft; Öffentlichkeitsarbeit wird vom Journalismus unabhängiger,

stellt der Journalistik-Professor Stephan Ruß-Mohl fest, beklagt eine zunehmende Abhängigkeit und mahnt: „Eine sehr gefährliche Dynamik.“

Der Professor trennt scharf: Hier Journalismus – und auf der anderen Seite PR, die folglich kein Journalismus ist. Was unterscheidet also, wenn überhaupt, Journalismus von PR?

Erst einmal: nichts. Beide nutzen die Sprache; sie schreiben so, dass ihre Leser sie verstehen; sie buhlen um Aufmerksamkeit; sie verführen mit Bildern und Grafiken; und sie schreiben für einen Auftraggeber, ob es ein Referatsleiter im Ministerium ist oder Millionen lesend hinter der Bildzeitung. Die Sprache beherrschen müssen alle, die von Menschen und für Menschen schreiben. Und die Regeln der Verständlichkeit gelten für einen Bericht über die Bundestags-Sitzung ebenso wie für einen PR-Artikel über neue Produkte.

Und jeder, der schreibt, wird von einem bezahlt, für den er schreibt. Für den Pressesprecher ist es sein Chef, der meist eitel ist, oder der Referatsleiter im Ministerium, der seine Bürokratensprache schätzt, oder die Marketing-Chefin, die ungenießbare Adjektive verlangt.

Redakteure schreiben für den Chefredakteur oder Verleger, Feuilleton-Redakteure für Intendanten und Dirigenten, deren Beachtung sie suchen und finden; im besten Fall schreiben Redakteure für die Leser, für Tausende und Zigtausende, die eine Zeitung abonnieren oder kaufen.

Man mag den Redakteur mehr achten, der für Tausende schreibt, als den Lobbyisten, aber im luftleeren Raum schreibt keiner. Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, mag eine zynische Boulevard-Weisheit sein, aber sie stellt klar: Thema oder Richtung, Sprache oder Ansprache – bestimmt in der Regel der, der bezahlt, ob es die Bürger sind oder der Bürgermeister.

Doch es gibt, bei vielen Gemeinsamkeiten,  eine klare Grenze: Sie verläuft eben zwischen unabhängiger Information auf der einen Seite und Verlautbarung wie Propaganda auf der anderen Seite. Der unabhängige Redakteur ist eigentlich nur einem Auftraggeber verpflichtet: Den Bürgern, denen er die notwendigen Informationen zu beschaffen hat, damit sie ihre Macht in der Demokratie ausüben können.

Die Pressefreiheit, die unabhängige Journalisten genießen, ist nicht ihre Freiheit, es ist die Freiheit der Bürger. Sie leihen den Journalisten die Macht, für sie alle Informationen zu sammeln, und verbinden sie mit der Verpflichtung, wichtige Informationen sofort an sie weiterzugeben. Der Journalist handelt also für seinen Auftraggeber – wie ein Treuhänder.

Zeitungen sind ein Markenartikel, sogar der Markenartikel der Demokratie. Und so sind Redakteure, im Gegensatz zur PR-Mitarbeitern,  unverzichtbar für unsere Gesellschaft.

Mehr auf https://kress.de/news/detail/beitrag/137198-vom-ruhekissen-der-vierten-gewalt-pr-und-journalismus.html

Bearbeitete und erweiterte Fassung auf der Webseite von KM (Kompaktmedien): http://www.kompaktmedien.de/wie-viel-journalismus-steckt-in-der-pr/

Fehlerkorrektur

Dies ist eine bearbeitete Fassung. Die Funktion von Ulrike Demmer ist nun korrekt angegeben. Dank an dp-Chefredakteur Sven Goesmann für den Hinweis.

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