Journalistische Inzucht und ein Verleger, der alles bestimmt

Geschrieben am 30. August 2012 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 30. August 2012 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Presserecht & Ethik.

Was ist ein guter Verleger? Einer, der Einfluss nimmt, sagt Bruno Schnell, Verleger der Nürnberger Nachrichten; einer, der sich unterscheidet von den neuzeitlichen, auf Profit getrimmten Verlagsmanagern.

Wie nimmt er Einfluss? Uwe Ritzer hat den 83jährigen Verleger, den viele Redakteure als Muster-Verleger verehren, für die Süddeutsche Zeitung interviewt (28. August 2012):

Es heisst, dass der Verleger Bruno Schnell ungeniert Einfluss nimmt auf die Berichterstattung, dass der soziale Übervater seine Kinder rigoros zur Ordnung ruft. „Fünf- bis sechsmal pro Jahr“ rügt Schnell nach eigenem Bekunden die strukturell ohnehin schwache NN-Chefredaktion, „weil die Linie des Hauses verlassen wurde“.

Wann das der Fall ist? „Zum Beispiel, wenn Frau Merkel unrichtigerweise gelobt wird.“ Wer was von Politik verstünde, könne sie nicht loben, findet Bruno Schnell.

In der Redaktion findet sich auch kein Fremder als Ressortleiter oder Chefredakteur, man muss sich im Haus hochdienen. „Das hat etwas von einer Behörde“, kommentiert Uwe Ritzer. Und Bruno Schnell, der Verleger, räumt ein: Ich weiß um die Gefahr der gelebten journalistischen Inzucht.

Bekannt wurde Bruno Schnell, weil er seinen Redakteuren gute Arbeitsbedingungen schafft und weil er beim Tarifkonflikt 2004 gegen die Verleger die Position der Redakteure einnahm und sie in einem Kommentar in der eigenen Zeitung auch leidenschaftlich vertrat.

(zu: Handbuch-Kapitel 46 Wer hat die Macht?)

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