Mediengetrommel gegen „das Internet“ nervt
„Warum denn überhaupt zwischen digitaler und medialer Öffentlichkeit unterscheiden?“, fragt Raphael Raue, Philosoph und der Designer dieser Seite, in einem Kommentar, der hier besonders hervorgehoben sein soll:
„Das Internet ist doch mittlerweile ebenso ein gewichtiger Teil unseres Lebens, wie es Zeitungen, Stammtische und Meinungsverschiedenheiten in Versammlungen sind. Diese Unterscheidung macht doch einfach keinen Sinn mehr. Ebensowenig wie es „das Internet“ gibt, gibt es doch auch nicht „die Medien“. Die Bild ist nicht zu vergleichen mit Geo oder dem Goldenen Blatt. TV Spielfilm will etwas anderes als die Süddeutsche. Eine Regionalzeitung etwas anderes als Cicero oder die Titanic.
Die Medien sind ein ebenso nutzloser Überbegriff wie das Internet. Twitter, Facebook, Blogs sind die Ansammlung eine ebenso großen Komplexität wie Zeitungen, Magazine und Einwurfsendungen. Viel Müll dabei und etwas Glanz.
Was sich geändert hat sind die Lernpraxen, die man braucht um Müll und Glanz zu uneterscheiden. Reichte es mal, die „richtige“ Zeitung zu abonnieren, muss man auf Twitter, Facebook und Blogs eben sehr viel genauer auswählen. Und die Grundlage, um dort informiert zu sein, sind meist eben doch noch „Medien“. Also Spon und Konsortien. Aber der Mix verschiebt sich. Auch die Art der Informationsaufnahme verschiebt sich. Aber dadurch verschiebt sich nichts hin zu einem Entweder-oder.
Mediengetrommel gegen „das Internet“ nervt tatsächlich, aber nicht weniger die mit einigem Antrieb wöchentlich durchs Dorf getriebenen Säue, mit denen man sich online beweisen versucht, dass man doch etwas erreichen kann. Kann man, dafür braucht man keine Kampagnen. Man brauchte auch nicht die Wulff-Demission, um zu wissen, dass Bild eindeutig Einfluss auf Politik und öffentliche Meinung hat. Und auch das hat genervt.
Vielleicht wäre es deshalb ratsam, wegzukommen von einem Streit, der in sich weder weiterführt, noch irgendein unterscheidendes Argument überhaupt hervorbringen kann – und sich hinzuwenden zur Überlegung, was mediale richtige mediale Praxen sind und welche eben nicht richtig sind. Kampagnen sind es wohl weniger. Meinungen sind wichtig, auf Twitter, Blogs und in Leitartikeln. Sie müssen aber als solche gekennzeichnet sein. Fakten und Tatsachen sind richtig und wichtig, können aber auch keine Kampagne rechtfertigen etc. Daraus entstehen doch die eigentlichen Probleme.
Dem Streit zwischen Netz und Medien liegt eine vollständig falsche Prämisse zugrunde: das Internet ist ein Medium. Ist es nicht! Und deshalb kann es auch kein besseres oder schlechteres oder irgendwie unterscheidbares Medium sein. Denn das Internet ist ein Medium des Mediums. Alle bisher bekannten Medien sind in ihm aufgehoben. Radio, Fernsehen, Print, Stammtisch, Pranger, Forum, Marktplatz etc. Das Internet ist auch kein Werkzeug mehr, es ist vielmehr ein Teil von uns geworden. Das Stichwort hier wäre: extended mind.
Eine wissenschaftlich mittlerweile recht fundierte Position, die in ihren Anfängen auf Heidegger und Husserl zurückgeht, zeigt auf, dass Werkzeuge zu Alltäglichkeiten und so zu uns selbst werden, die wir auch unsere Alltäglichkeiten und Gewohnheiten sind. Das Internet ist eine solche alltägliche Gewohnheit. Wir nutzen auch nicht mehr den Computer, um ins Internet zu gehen, sondern sind es ständig, mit Computer, Smartphone, Tablet, Netbook und Laptop. Wir sind (fast) immer online, und das Internet ist schon lange kein Medium mehr, das wir nutzen, denn diese Reflexion ist in der alltäglichen Gewohnheit aufgelöst.“