Facebook – die neue Ära des Journalismus? Nein, weil die eigene Medien-Marke zu wichtig ist

Geschrieben am 13. November 2014 von Paul-Josef Raue.

Journalismus in Zeitungen ist tot. Journalismus in Blogs auch. Journalismus auf Homepages ist tot und bei Google und auch in den sozialen Netzwerken – bis auf Facebook. Die New York Times ruft die neue Ära des Journalismus aus – denn unter einer neuen Ära tun wir es nicht mehr. Früher dauerte eine Ära noch Jahrhunderte, heute nur noch ein paar Jahre.

David Carr schreibt in der New York Times, zitiert von Socialmediawatchblog:

Facebook ist wie ein riesiger Hund. Du weißt nie genau, ob er einfach nur spielen oder Dich fressen will – am Ende leckt er Dich womöglich tot.

Diese drei Gründe nennt David Carr, warum Facebook den Journalismus aufsaugen wird:

1. Facebook bietet Verlagen an, ihren Journalismus komplett und schön gestaltet auf Facebook zu platzieren. Die Werbe-Erlösen sollen sich Facebook und Verlage teilen.

2. Mark Zuckerberg will im nächsten Jahrzehnt erreichen, dass Nachrichten die entscheidende Rolle bei Facebook spielen: “News is a very big priority“.

3. Der RSS-Miterfinder Dave Winer arbeitet, in Kooperation mit Facebook, an einem neuen Werkzeug, Artikel oder Foto gleichzeitig im Blog und auf Facebook zu platzieren.

Raphael Raue, SEO bei RP-Online, kann die Meinung von Carr überhaupt nicht teilen und schreibt:

Das alte Märchen vom großen Traffic über Facebook wird geschickt von zu vielen Social-Media-Beratern gestreut. Es gibt viele gute Social-Media-Experten, aber die manische Fokussierung der deutschen Medienwelt auf Social Media ist durch die Fakten nicht zu rechtfertigen. Denn richtig ist:

> Die meisten deutschen Nachrichtenseiten haben nicht mehr als 10% Facebook-Traffic

> Aber rund 30% Google-Traffic.
Quelle https://twitter.com/thorebbe/status/517344192318558209?s=03

> Entschiede man sich für Facebook, verlöre man 30% und gewönne vielleicht 10%. Unternehmerisch wäre das eine mehr als gewagte Entscheidung.

Dazu kommt: Journalistische Inhalte funktionieren nicht wirklich gut auf Facebook – außer große Meldungen, Todesfälle, ein wenig Regionales und vor allem Buntes, Boulevard und Sport. Die Konzepte von Buzzfeed und Heftig kann man nicht einfach auf Nachrichten übertragen.

Der Tod der Homepage wurde im Netz schon oft, zu oft, ausgerufen. Alle sind zu ihr zurückgekehrt, auch Social-Media-Berater. Zudem würde ich meine Marke nie von einer anderen allein abhängig machen. Mit einer eigenen Seite kann ich die Marke klassisch – offline und online – vermarkten, auf Google stärken, auf Facebook stattfinden lassen, Instagram, Tumblr und Pinterest nicht zu vergessen und auf allen künftigen großen Plattformen.

Wenn ich einmal zu Facebook wechsle oder mich nur auf Google verlasse, bin ich verloren, wenn sich das Netz ändert. Und es ändert sich ständig. Vor 20 Jahren konnte sich auch niemand vorstellen, dass man mal irgendwann anderes als Microsoft und Yahoo nutzen würde.

Ich halte diese Theorie, Journalismus werde bald nur noch auf Facebook stattfinden, weder kurzfristig noch langfristig eine auch nur bedenkenswerte Option. Genauso wenig würde ich irgendjemandem empfehlen, seine Seite nur auf Google auszurichten und Inhalte dort zu hosten und nicht mehr irgendwo anders auszuspielen.

Nachrichten müssen überall stattfinden, auf manchen Kanälen funktionieren sie besser, auf anderen weniger, wichtig ist aber, dass man sich die technische wie inhaltliche Unabhängigkeit bewahrt, ach wenn dafür noch nicht allerorts das Geschäftsmodell gefunden wurde.

 

1 Kommentar

  • Hi, der Artikel ist nicht korrekt. Carr erwähnt Dave Winer überhaupt nicht. Das habe ich beim Social Media Watchblog zu Carrs Beobachtungen mit Blick auf die Entwicklung bei Facebook ergänzt. Viele Grüße, Martin

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