Neonazis stellen Redakteur nach – Staatsanwalt zuckt mit den Schultern: „Nicht schwerwiegend“

Geschrieben am 26. Oktober 2015 von Paul-Josef Raue.

Peter Bandermann schreibt in der Dortmunder Lokalredaktion der Ruhr-Nachrichten über Neonazis. Denen gefällt das nicht: Als er vor einigen Wochen beim Bäcker ein Brötchen kaufen wollte, umstellen ihn einige stadtbekannte Neonazis, bedrängten und nötigten ihn.

RN und Neonazis

RN und Neonazis

Peter Bandermann informierte die Staatsanwaltschaft, die keine Beeinträchtigung von Arbeit und Leben des Redakteurs sieht und nur mit den Schultern zuckt:

Nicht ausreichend ist, dass die Belästigungen subjektiv als nachteilig empfunden werden. Die von Ihnen geschilderten Beeinträchtigungen sind nicht als schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung anzusehen.

Wolfram Kiwit, RN-Chefredakteur, veröffentlicht in seinem Newsletter das Schreiben im Original und kommentiert: „Ein rechtsstaatliches Armutszeugnis und ein Freibrief für die Neonazis“.

 

3 Kommentare

  • …. schwierig, weil man nicht erfährt, was hier mit „bedrängen und nötigen“ genau gemeint ist…? Ausgehend davon vermute ich zugunsten des Staatsanwalts, dass er einfach vorschriftsmäßig gehandelt hat. Ich weiß nämlich nicht, ob es gut wäre, über diese Neonazis das Handeln der Justiz grundsätzlich zu verändern. Ich kenne auch sonst die Situation in Dortmund zu wenig.
    Will sagen, dieser Post bietet mir nicht genug, um etwa empört über die Justiz oder einen Staatsanwalt zu sein oder ernsthafte Gefährdungen der Pressearbeit zu erkennen.
    Kann aber auch sein, dass ich mich täusche. Deshalb hätte ich diese Nachricht mit so wenigen Infos noch nicht gepostet. Dadurch besteht die Gefahr von Fehleinschätzungen, die sich im Netz zu nicht haltbaren Behauptungen auswachsen.
    Anton Sahlender, Leseranwalt, Main-Post, Würzburg

    • Widerspruch!

      Und eine Gegenfrage: Würde die Staatsanwaltschaft auch so abwiegeln, wenn ein Staatsanwalt von Neonazis bedrängt würde? Oder eine bekannte Politikerin?

      Zweite Frage: Wann schlägt eine subjektive Bedrängnis um in eine objektive? Wenn der Baseball-Schläger erhoben wird? Wenn damit gedroht wird? Wenn der Nazi dem Redakteur in die Beine schlägt? Auf den Kopf?

      Dritte Frage: Was ist „vorschriftsmäßig“?

      Eine Staatsanwaltschaft urteilt nicht, sie ermittelt. Und sie hat zu ermitteln, wenn die öffentliche Ordnung bedroht ist. Und sie ist, erst recht in diesen Tagen, bedroht, wenn ein Lokalredakteur eingeschüchtert wird. Und mir reicht der subjektive Eindruck des Redakteurs.

      Martin Klingst schreibt heute in der Zeit-Online-Morgenkolumne „Fünf vor 8:00“:
      Der Staat muss gerade in einer schwierigen Lage – Kriminalität gegen Flüchtlinge und unter ihnen – demonstrieren, dass er die Lage im Griff hat. Klingst verweist auf die Broken-Windows-Theorie, die Theorie der zerbrochenen Fenster, 1982 von den amerikanischen Sozialwissenschaftlern James Wilson und George Kelling aufgestellt: Erst verwahrlost ein Haus, dann die Straße, schließlich das gesamte Viertel, am Ende gerät alles ins Rutschen.
      Klingst Schlussfolgerung: „Wenn der Staat, also die Polizei, die Justiz, die Ordnungs- und Sozialbehörden, nicht rechtzeitig eingreifen und gegensteuern, besteht die reale Gefahr, dass alles aus den Händen gleitet.“

      Übertragen auf den Dortmunder Fall heißt es: Null Toleranz gegenüber allen, die Journalisten bedrohen, einschüchtern – und nicht warten, bis der erste auf dem Boden liegt, oder einfach nicht mehr recherchiert.

      Also: Mir geht es nicht um Empörung, sondern um den Schutz von Redakteuren, die gerade im Lokale eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, oft genug einsam – für den Bürger, für die Gesellschaft, für die Demokratie.

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