Nun erwischt es auch eine Journalismus-Zeitschrift: Message wird nicht mehr gedruckt
Bisher hat Message die Schwierigkeiten und vor allem Defizite von Zeitungen und Zeitschriften analysiert – und des Journalismus überhaupt. Nun muss Message selber aufgeben und verkauft das Ende als „Schritt in die Zukunft“. Im kommenden Jahr erscheint Message nur noch im Netz, als App oder E-Paper.
Die Abos gehen, wie bei den Zeitungen, zurück. Noch in diesem Jahr sollte der Relaunch den Niedergang stoppen – vergebens. Auch hat die Zeitschrift den Abgang von Gründer Michael Haller vor zwei Jahren nicht verkraftet. Das Projekt der „Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus“ hat wohl selber keine ausreichende Qualität liefern können.
Zum 15-Jährigen in diesem Jahr hatte Michael Haller noch einmal die Feder gespitzt – und manchem Medien-Wissenschaftler in seiner gewohnt diplomatischen Art bescheinigt, dass sie nicht in der Lage sind, „ihre Befunde allgemeinverständlich rüberzubringen“:
Unvergessen blieb mir ein über Wochen laufender Mailverkehr mit einem Professorenkollegen, dessen Text im Wissenschaftsjargon abgefasst (aufgeblasen) war und im Zuge unserer Bearbeitung seine gedankliche Trivialität offenbarte. Am Ende zog der Kollege den Text zurück: Wir hätten seinen Gedankengang zerstört.
Auch die Macher, die Chefredakteure, geißelte Haller, der selber kaum am Minderwertigkeits-Syndrom leidet:
Warum wird man Ressortchef, dann Chefredakteur? Auf welche Qualifikationen kommt es an, um den Medienwandel zu verstehen und den heute sogenannten Changeprozess crossmedial zu steuern? Wir haben dieses Thema später dann nur noch mit spitzen Fingern angefasst, weil wir merkten, dass doch viele Redaktionschefs in Deutschland auf Manöverkritik eher beleidigt reagieren, offenbar, weil ihnen, spitz gesagt, die eigene Eitelkeit im Wege steht.
Wenn ich meinen Aktenordner mit Korrespondenzen der vergangenen 15 Jahre durchblättere, begegnen sie mir wieder, die pseudo-coolen, doch im arroganten Ton abgefassten Beschwerdebriefe deutscher Chefredakteure. Es war nicht nur Mangel an Selbstreflexion, der irritierend wirkte, sondern auch deren Weigerung, sich mit dem Wandel der Medienfunktionen praktisch zu beschäftigen und Konsequenzen zu ziehen.
Trotz anhaltendem Reichweitenschwund hielten viele Blattmacher an der Überzeugung fest, ihr persönliches Bauchgefühl sei Garant für erfolgreichen Journalismus.
Diese Arroganz wird uns, zumindest in gedruckter Form, fehlen. Der Abschied vom Druck wird wohl der Abschied von Message überhaupt sein.
PS. Der Autor dieses Blogs hat nie einen Brief an Message geschickt, noch war er Autor der Zeitschrift.
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Lieber Herr Raue,
meine Bemerkung über heikle Chefredakteure, die mir bitter zu lesende Briefe schrieben, nachdem deren Heftmache auf dem Prüfstand lag, bezog sich wirklich nicht auf Sie; ich habe Ihre Blattmache stets mit interessierter Neugier verfolgt. Etwas anderes fällt mir ein: Als ich in „Message“ (2/2012) die Neuauflage Ihres Handbuchs einer recht kritischen Rezension unterzog, haben Sie dies, so hoffe ich, nicht als „Arroganz“ empfunden, sondern sportlich genommen. Deshalb bemühe ich mich, diese Kolumne auch nicht als Retourkutsche zu lesen.
Ihr unverdrossen sportiv eingestellter
Michael Haller
Lieber Herr Haller,
da haben Sie mich missverstanden: Ich teile Ihre Auffassung über heikle Chefredakteure, die zu viel Manager sind und zu wenig Journalist, die schnell mimosenhaft reagieren und die ihr Ego höher hängen als den Respekt vor den Lesern. Dabei sollte man die Arroganz auch nicht überschätzen: Wer öffentlich auftritt, kommt ohne eine gehörige Portion Narzissmus nicht aus – das ist sozusagen ein Berufsrisiko der besonderen Art. Das gilt für Sie, für mich und die meisten unserer Zunft. Aber bisweilen ist das Übermaß an Arroganz eben maßlos.
Ihre Kritik am Handbuch habe ich nicht nur sportlich genommen, sondern hat mich auch erfreut: Es hat dem Buch gut getan. Das Handbuch war nicht für Wissenschaftler geschrieben, sondern für Journalisten; es schreibt keine Theorie des Journalismus, sondern beschreibt die Praxis und misst sie mit dem Ideal des Journalismus. Wer sich für Journalismus intensiv interessiert, hat das gemerkt und honoriert
Wir haben niemals mit dem Erfolg gerechnet: Das Handbuch feiert bald sein Zwanzigjähriges! 1996 kam die erste Auflage heraus, es folgten mindestens zehn weitere, darunter einige intensive Erweiterungen und leider auch Titeländerungen.
Also: Keine Retourkutsche, sondern Freude über Ihren Kommentar. Ich mag Profis, auch oder gerade wenn ich anderer Meinung bin.
Vor drei Stunden las ich diese „Message“ per Postprint aus Hamburg. Absender UHH-Institut für Journalistik, unterschrieben von Prof. Dr. Volker Lilienthal. Das Ende dieser „Internationalen Zeitschrift für Journalismus“ habe ich etwa beim Wechsel von Kontonummern und Vertriebswegen zwar kommen sehen, aber weiterhin abonniert. „Message“-Themen und -Beiträge empfand ich über viele Jahre hinweg als anregend, über den eigenen Job nachzudenken.
Spürbare Arroganz und Eitelkeit von Michael Haller haben mich selten irritiert. Dies sind im Journalismus weit verbreitete Charaktereigenschaften. Nicht nur als Redakteur zieht man ja auch Nektar aus Kontroversen, die einem im Alltagsjob zunächst als sehr akademisch erscheinen. Ähnliches gilt übrigens für als zunächst schulmeisterlich empfundene Texte von Wolf Schneider.
Im Routine-Job unter dem üblichen Zeitdruck und oft Standardsätze Produziererei die Lernfähigkeit nicht zu verlieren, dazu hat „Message“ jedenfalls bei mir mehr beigetragen als Verbandszeitschriften. Der Wechsel von „Message“ zur künftig versuchten digitalen Kommunikation über Medienwirklichkeit wirft ein grelles Licht auf die vermeintliche Krise des Print-Journalismus.
Den Begriff „Qualitätsjournalismus“,aus in der Anzeigen-Not erbauten Luftschlössern permanent heraustrompetet, mag ich gar nicht mehr hören. Nachrichten, Meldungen, Berichte, Reportagen und was es alles an journalistischen Textsorten gibt, funktionieren ja per Readerscan optimiert weiterhin, ob per Print und/oder digital.
Man kann es ja drehen und wenden, wie man es jeweils mag und will: Die Regeln des Schreibens, eine der freien oder unterdrückten Formen von Kommunikation in jeder Gesellschaft, wurden bereits in der Antike vor dem Aufkommen des Christentums definiert: Rhetorik
Endlich ist mir mal wieder eine derart höflich formulierte vergiftete Post unter die Augen geraten wie die zwischen Haller und Raue. Glückwunsch euch Lokführern durch die deutsche Medienlandschaft!
Nein, da ist kein Gift. Bei allen Unterschieden haben Professor Haller und ich stets Respekt gezeigt. Ich fremdle mit der akademischen Journalistik in den deutschsprachigen Ländern im Vergleich beispielsweise zu den nordamerikanischen. Was ich bei Professor Haller bedauert habe: Er kommt aus dem Journalismus, war angesehener Reporter und ist ein rechter Professor geworden mit abgehobener Sprache und zunehmender Praxisferne. Ich würde bei ihm nicht von journalistischem, sondern von akademischem Hochmut sprechen. Andererseits hat er mit der Journalistenausbildung in Leipzig Vorbildliches geleistet. Wenn ihm viele andere Hochschulen – und nicht nur Dortmund – darin gefolgt wären, stünde es um den Journalismus in Deutschland besser.
Finden Sie, es steht um den Journalismus derzeit nicht so gut? Auch in Dortmund? – Sie haben mir mit Ihrer Antwort auf meinen Beitrag bewusst gemacht, dass meine ehemalige akademisch-deutsche Art zu denken und als Schülerzeitungsredakteur selbst satirisch gemeinte Texte steif zu schreiben, noch vor dem Abitur (1971) entsichert wurde durch den zunächst zufälligen, später intensiven Kontakt mit Studentinnen und Studenten der „Katholischen Theologischen Hochschule für Pastoral“ im südlimburgischen Heerlen. Die hatten dort zur Zeit des Krieges um Vietnam längst begonnen, die calvinistisch geprägten Traditionen aufzubrechen und beschämt die niederländische Kolonialzeit zu erforschen. Dies in einer sehr direkten Sprache auch in Gottesdiensten. Es wurde nicht fromm gepredigt wie unweit im Aachen Dom, es wurde gar nicht gepredigt.
Flüchtlinge erzählten von ihren Schicksalen, Dolmetscher standen ihnen bei. So begriff ich, wie wichtig Sprechen können, Sprechen dürfen Grundvoraussetzungen für Print ist. Unsereins kommt logischerweise nicht umhin, Gehörtes, Gesehenes und selbst Gedachtes in gedruckte Zeilen zu übersetzen und beim Layouten zu illustrieren. Dabei gerät manches schief, auch wenn man dabei gewesen ist.
Vor 20 Jahren bereits habe ich story telling mit wahrscheinlich begrenztem Verstand auch lokaljournalistisch ausprobiert („Fahrradführerschein“, etc.) Themen, die an mich herangetragen wurden, die ich selber nicht entdeckt hätte. Wäre auch niemals an das Thema „Kunstbeute/Bremer Kunsthalle“ geraten, wäre ich nicht zufällig dem ehemaligen russischen Offzier Viktor Baldin begegnet, der aus dem Keller eines Brandenburgischen Schlosses Werke von Rembrandt, Dürer etc vor der Vernichtung gerettet hat. Also: Unsereins muss manchmal auch zum Reiten getragen werden. Und prüfen, prüfen. Meine Examansarbeit in Germanistik schrieb ich über Tuchoslsky. Dessen Wirkungsreichweite in der Öffentlichkeit war begrenzt. Wagte mich als Nachrichtenredakteur auch mal an eine Rezension von Negt/Kluge zum Thema „Öffentlichkeit“.
Mir hat sich aus eigener Erfahrung als später „Reporter“ im Lokalen eingeprägt: Ohne Bild kein längerer Text.
Uns Journalisten ist mit Einstellung von „Message“ ein wichtiger Teil der Reflexion Verhältnis Basis/Überbau flöten gegangen.
Mich kann auch niemand glauben machen, dass Zeit, Spiegel/Stern etc in zehn Jahren noch so wie derzeit als dickbäuchige Flaggschiffe deutscher Print-Pressekultur unterm Skandalhimmel der Republik dahinsegeln. Sie werden nicht in der Elbe, sondern in der Spree vor diesem ulkigen Regierungsbunker stranden. Und der macht dann wie einst die „Berliner Auster“ völlig überraschend die Klappe zu. Mal ganz unsentimal gefragt: Wer soll das alles lesen, was wir tagtäglich schreiben? Ein Deutschlehrer etwa schafft nach Unterricht und wohl verdientem Mittagsschlaf gerade mal zehn Aufsätze Korrektur. Quo vadis Print?