Ramelow führt in Thüringen „Staatsfernsehen“ ein
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sprach gestern erstmals im TV-Sender Salve, ohne dass Journalisten ihn mit Fragen stören konnten. „Ramelow & Co“, so der Serien-Titel, wird jede zweite Woche ausgestrahlt. Im Konzept des Weimarer Senders heißt es: Ramelow wird eigenständig vor der Kamera zusammenfassen und reflektieren. Dabei spricht er direkt in die Kamera.
Ramelow verwirklicht so, wovon Adenauer träumte: Ein Staatsfernsehen. Dem ersten Kanzler der Bundesrepublik hatte das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben. „Das ist wie Staatsfernsehen, das geht so nicht“, kritisiert in der Thüringer Allgemeine der SPD-Bundestagsabgeordnete Steffen Lemme, der auch der Versammlung der Thüringer Landesmedienanstalt vorsteht. Wenn Ramelow, so Lemme, ungestört zu den Thüringern sprechen wolle, „kann er sich auch gleich selbstständig machen mit einem eigenen Medienunternehmen“.
Trotz der Kritik, die aus allen politischen Lagern kommt, will Ramelow nicht von dem Auftritt abrücken, wie die Staatskanzlei mitteilt. Der Medienwissenschaftler Horst Röper aus Dortmund findet den Auftritt absurd und sagt der Thüringer Allgemeine:
Ich habe noch nie gehört, dass ein Ministerpräsident sich selbst kommentieren darf. Das ist unglaublich, das ist entsetzlich. Hier verabschieden wir uns vom Journalismus. Dass es so etwas geben könnte, hat vermutlich niemand geahnt.
Für den Salve-TV-Hauptgesellschafter Klaus-Dieter Böhm ist Ramelows Solo-Auftritt der Versuch, „Politik transparent zu machen“.
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Quelle: Thüringer Allgemeine 17.1.2015
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Bei Angela merkel heisst dieses Staatsfernsehen einfach Videoblog
Merkels Videoblog erscheint in den sozialen Netzwerken, nicht in einem journalistischen Sender, ist deutlich PR. Allerdings könnte man schon fragen, ob Staats-PR noch von der Verfassung gedeckt ist: Mittlerweile gibt es mehr Pressesprecher als Redakteure. Aber das ist eine andere, wenn auch verwandte Frage.
Bodo Ramelow tummelt sich übrigens auch noch in den sozialen Netzwerken; man könnte bisweilen glauben, er twittere mehr als er regiert.