Auf Ministerpräsident Ramelows Facebook-Seite: Hat OTZ-Chefredakteur beim „Völkischen Beobachter“ gelernt?
Darf man über den Chefredakteur einer deutschen Regionalzeitung urteilen: “ Ich habe den Eindruck, er hat sein Handwerk beim ‚Völkischen Beobachter‘ gelernt.“ Ja, auch wenn Staatsanwälte mittlerweile Ungeheuerliches tun, würden sie in diesem Fall nicht einschreiten.
Darf ein Ministerpräsident einen solchen Kommentar auf seiner Facebook-Seite dulden? Ungelöscht und unkommentiert? Ja, auch das ist nicht verboten. Aber schon bemerkenswert.
Bodo Ramelow ist der deutsche Ministerpräsident, der am meisten twittert, retweetet, kommentiert, lobt und tadelt und auf Facebook schreibt und – so drängt sich der Eindruck auf – weniger regiert als unterwegs ist in den sozialen Netzwerken. Aber das kann ja die Regierung der Zukunft sein.
Bodo Ramelow, der Sozialist aus Thüringen, zeigt auch gerne den Journalisten, wo es lang geht. Er ruft schon mal beim Nachrichtensprecher des MDR an und weist ihn an, wie er eine Nachricht zu formulieren hat – so jedenfalls wird im Funkhaus erzählt; er schreibt einen Kommentar gegen einen Kommentar des Chefredakteurs der Ostthüringer Zeitung. Unter der Überschrift „Regierung fern des Rechts“ hatte Chefredakteur Riebartsch die Flüchtlingspolitik von Rot-Rot-Grün in Thüringen scharf kritisiert.
Ramelow schreibt dazu auf Facebook: „Es wird immer verrückter. Jetzt behauptet der OTZ-Chefredakteur einfach wahrheitswidrig, dass die Thüringer Landesregierung die Rechtslage nicht einhalten würde.“ Darüber hinaus macht Ramelow den Journalisten indirekt für anschwellenden Fremdenhass verantwortlich: „So wird die Stimmung einfach mit Unwahrheiten angeheizt.“
Solch eine Replik dürfte zumindest ungewöhnlich sein.
Und um diesen Kommentar, auf Ramelows persönlicher Facebook-Seite veröffentlicht, geht es. Kaum erschienen, vergleicht ein Sympathisant den OTZ-Chefredakteur mit dem Nazi-Hetzblatt Völkischer Beobachter, dessen Chefredakteur nach dem Krieg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingerichtet wurde. Bodo Ramelow, der sonst schnell kommentiert, lässt laufen.
Der Eintrag steht seit dem 1. August auf Ramelows Facebook-Seite. Aus einem anderen der vielen Kurzkommentare spricht freundschaftliches Mitleid mit Ramelow: „Es ist doch schlimm, mit welchem Blödsinn Du Dich leider beschäftigen musst!!!“
Keiner der Tweets findet den Nazi-Hetzblatt-Vergleich zumindest unpassend. Immer wieder wird dagegen suggeriert, dass Personen, die die Flüchtlingspolitik der Landesregierung kritisch sehen, Fremdenhass förderten. Eine Frau schreibt: „Hauptsache, die Stimmung wird weiter gegen Asylsuchende angeheizt, … wissen die Menschen wie dieser Redakteur eigentlich, was sie da tun?“
Eine weitere Frau merkt an: „Unverschämt!!! Solche Schreiberlinge entlassen und als Sachbearbeiter in einem Asylbewerberheim einstellen, aber gleich noch einen Verantwortlichen daneben, damit er dort keinen Unfug mehr anstellen kann.“
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Berichterstattung und Kommentar in der Thüringer Allgemeine 5. August 2015
11 Kommentare
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von einer guten journalistischen arbeit erwarte ich einen gut recherchierten hintergrund und keine stimmungsmache, die schon anfangs mit ‚rot-rot-grünen regenten‘ deutlich wird.
das hier jetzt noch weiter gewettert wird, anstatt sich hinzusetzen und seine hausaufgaben zu machen, ist mehr als peinlich. soll das ein versuch sein, an das verfahren von netzpolitik.org anzuknöpfen? sorry, so gut sind sie leider nicht.
wie viele leser müssen sie noch verlieren, bis das böse erwachen kommt?
[…] Der Titel des Blog-Eintrags von Raue lautet: „Auf Ministerpräsident Ramelows Facebook-Seite: Hat OTZ-Chefredakteur beim “Völkischen Beobachter…“ […]
ich habe gelesen, was herr raue geschrieben hat. aber ich fange am anfang an – wenn sie meine meinung zu herrn raue haben wollen: willkommen im neuland, willkommen bei facebook, twitter und co! wenn sie sich hier eingelebt haben, können sie sich gern auch mal äußern. aber vorher bitte nicht, sonst machen sie sich nur lächerlich.
ich erlaube mir auch einen kleinen tipp: wenn sie ein problem mit der regierung haben, dann schreiben sie doch dieser. so ersparen sie sich den sumpf, der sich hier grad auftut und aus dem sie wohl schwer wieder raus kommen. denn die neue regierung reagiert auf anfragen und sucht den kontakt zum volk. das habe ich so noch nicht in den letzten 25 jahren unter der cdu erlebt.
Verehrter Veit,
gehe ich recht in der Annahme, dass Sie ein Hohepriester dieser Geheimorganisation „Die Kenner des Internets“ sind? Dass Sie gnädig wie ein feudaler Fürst alle, die Eingang ins „Neuland“ begehren, als Pöbel sehen, die sich lächerlich machen?
Heißen die sozialen Netzwerke nicht sozial, weil eben keine Fürsten mehr wachen und ihre Wärter an die Portale setzen, die kontrollieren, wer überhaupt Einlass begehren darf? Aber ich verbeuge mich natürlich vor einem Hohepriester, gebe nur demütig zu bedenken: Es geht nicht um die asozialen Netzwerke, sondern um die Art, wie wir Debatten führen. Mit der Nazi-Keule, mit Völkischer-Beobachter-Vergleichen verhindern wir jede Debatte, ob auf Facebook, im Landtag oder sonstwo.
Dann machen wir den Andersdenkenden mundtot und – Schluss. Braucht ein Ministerprräident, den Sie als Volks-Präsidenten preisen, solche Anhänger? Solche Mittel?
Ach übrigens, was muss ich denn lernen, um in den Geheimbund aufgenommen zu werden? Welche Prüfung habe ich zu bestehen?
Der Nutzer „veit“ hat eine mögliche Sachlage ein seinem Kommentar nicht berücksichtigt. Der Kommentar ist aus meiner Sicht recht eindeutig politisch motiviert – von daher ist es nicht eindeutig daraus zu schließen, dass der Verfasser nicht so sehr mit den Gegebenheiten der sozialen Netzwerke vertraut ist. Es kann sich auch einfach um ein „gefundenes Fressen“ gehandelt haben irgendwo in den tiefen der Kommentare und Posts etwas Anrüchiges gefunden zu haben und das dann entsprechend zu benutzen. Für diese Theorie spricht eine Überschrift die ich gelesen habe „Ramelow löscht umstrittenen Nazi Vergleich“.
Obwohl natürlich Unsicherheit über die wahre Motivation herrscht, halte ich das doch eher für wahrscheinlich, als eine so naive Betrachtungsweise der sozialen Medien. Vor allem wenn ich den Kommentar zu „veit“ hier gelesen habe – der passt eher zu meiner Demagogen-These.
herr raue,
alles falsch. ich sehe mich als stino, vielleicht bin ich durch meinen aszendenten etwas wissbegieriger als andere und wenn mich etwas interessiert, dann recherchiere ich gern nach und versuche auch das ganze aus einem anderen blickwinkel anzusehen. ich meine, dass dies eher demagogenuntyptisch ist.
ihre reaktion/ihre ansprache an mich ist jedenfalls alles andere als erwachsen und eines journalisten unwürdig. ich muss feststellen, dass auch viele artikel oder kommentare in dieser art geschrieben sind. da wurde wind gesäht und sturm geerntet.
weiterhin ist ihre anmerkung mit den anhängern bei facebook ganz großer quatsch und ein weiteres zeichen, dass sie sich auf herrn ramelow eingeschossen haben. denn ein kleiner blick auf afd zeigt in den kommentaren hetzereien gegen schwule, die mittlerweile schon auf die cdu übergreifen. gegen ausländer ist überall hass und missgunst zu lesen. das ist leider nun mal so (und für mich ein zeichen, wie gut die regierung mit dem volk umgeht, es bildet und dessen interessen vertritt oder eben gerade nicht).
ich preise hier auch niemanden, ich spreche aus erfahrung:
anschreiben an dulig, spd, sachsen – nach 4 wochen nachgehakt – email verschwunden und die bemerkung, ich solle nicht drängen – die eigentliche antwort kam noch mal 3 wochen später
anschreiben webel, cdu, sachsen-anhalt – auch nach 4 wochen nachgefragt – email ebenfalls abhanden gekommen – antwort beruft sich auf eine studie aus dem jahr 2000 (erst hab ich gelacht, dann geweint)
anschreiben keller, linke, thüringen – antwort nach 3 tagen – einladung zu einem persönlichen gespräch
man kann nämlich einen andersdenkenden nur dann mundtot machen, wenn er überhaupt denkt…
schönes wochenende
Interessant wie Sie sich eines Kommentars auf einer Facebook-Seite bedienen um einen Politiker nur irgendwie in ein schlechtes Licht zu rücken. Und schon hat man Zack in den Köpfen der Menschen einen Zusammenhang hergestellt. In der Zeit, in der viele nicht mehr richtig auf die Inhalte achten ein cleverer Schachzug. Man könnte fast meinen, der Kommentar sei von Ramelow selbst geschrieben.
Genau das was in Ihrem Artikel hier als letzer Kommentar kritisiert wird, trifft den Kern der Sache in Perfektion. Durch die andauernde Berichterstattung in den Medien wird ein Bild erzeugt, als könnte Deutschland die Flüchtlinge die hierher kommen nicht verkraften oder finanzieren. Das ist natürlich kompletter Unsinn, wenn man sich nur ein ganz klein wenig mit unseren volkswirtschaftlichen Rahmendaten auskennt.
Solche Artikel wie der um den es geht (der auch noch grauenhaft formuliert ist. Beim ersten Lesen ging ich davon aus, dass das vermutlich eine kostenlose Anzeigen-Zeitung ist, bei der einfach nur irgendwelcher Content ohne Lektorat abgedruckt wird. Erst nachdem ich nochmal geschaut habe, was hinter OTZ steckt war ich wirklich überrascht.) tragen einfach nichts zur Lösung der eigentlichen Problematik bei, sondern fördern nur die ohnehin schon bedauernswerte Stimmung contra Flüchtlinge die sich viel zu sehr breit macht indem sie das Thema unnötig hochkochen. Die Intention kann entweder das Flüchtlingsthema sein in Kombination mit Erhaschung von Aufmerksamkeit dadurch (nach dem Motto „Schon wieder die Flüchtlinge“) oder einfach eine politische Abneigung gegen Bodo Ramelow. Letzeres wäre noch das kleinere Übel…
Ich gebe Ihnen Recht: Und schon hat man Zack in den Köpfen einen Zusammenhang hergestellt. Journalisten wie Völkischer Beobachter, also Nazis, Judenhetzer, Menschenfeinde. Und nichts wie raus auf die Straße: Lügenpresse! Lügenpresse! Meinen Sie das, oder ist es doch ein wenig differenzierter, „irgendwie“?
In gewisser Weise haben Sie es erkannt, vielleicht etwas übertrieben dargestellt. Der Vergleich ist aber nicht schlecht. Beide Personen bedienen sich der Form der Demagogie. Im einen Fall ist es ein Kommentar eines Kommentars auf Facebook, auf der anderen Seite offensichtlich ein „Redakteur“ einer regionalen Tageszeitung (Ich nehme an, die Thüringer Allgemeine ist so etwas). Beides ist keine saubere Art. Und zum ursprünglichen Artikel: Ich gebe zu keine genaue Kenntnis über die Zeitung „OTZ“ zu haben. Soweit ich das sehe handelt es sich aber um eine „normale“ Tageszeitung (kein Anzeigenblatt mit kostenfreiem Content oder eine rein politische Zeitung, welcher Art auch immer), und da erwarte ich von einem Journalisten (ich kenne auch den Verfasser nicht) ein deutlich höheres Niveau als das, was ich da in diesem (aus meiner Sicht) schwachem Artikel gelesen habe. Klar gibt es auch in der Zeit, der Süddeutschen, dem Spiegel (besonders Online) usw. schwache Artikel, die sind dann aber meist inhaltsfrei. Artikel die dort die öffentliche Meinung beeinflussen sollen, sind zumindest besser geschrieben. Und dann spreche ich der Presse bei diesem Themenkomplex eine ganz besondere Verantwortung zu. Auch bei einer regionalen Tageszeitung sollte es so etwas wie eine Qualitätskontrolle geben, durch den Chefredakteuer oder wen auch immer. Ein Artikel zur politischen Einflussnahme zu diesem Thema darf es aus meiner Sicht nicht geben. Wenn Bodo Ramelow einem nicht passt, soll man sich andere Themen suchen um ihn schlecht zu machen. Man kann Politiker für alles mögliche kritisieren und bestimmt auch ihn. Da muss man sich nicht zum Steigbügelhalter für diese elenden Flüchtlings-Kritisierer machen – außer natürlich man möchte das.
Und es ist auch interessant, dass sie kritisieren, dass ein Kommentar nicht sofort von einer Facebook-Seite entfernt wird – sie selbst aber es nicht so eilig mit der freien Meinungsäußerung haben. Mein Kommentar ist ja immer noch nicht veröffentlicht… Clever, in Zeiten der schnellen Informationsfolge ist ein kritischer Kommentar, der erst Tage später erscheint schon wertlos…
Verehrter Herr Kämmerer,
Ihr Kommentar steht seit dem 4. August, 22.35 Uhr, auf meiner Seite. Bei Herrn Ministerpräsident Ramelow haben wir vier Tage gewartet, nicht ein paar Stunden, ob er auf den Kommentar reagiert, in welcher Form auch immer. Da Herr Ministerpräsident in der Regel schnell reagiert, nicht selten innerhalb von Minuten, sind wir davon ausgegangen, dass er den Völkischer-Beobachten-Kommentar als angemessen ansieht. – Im Kommentar sagen wir in unserer Zeitung deutlich: Die Nazi-Keule verhindert jede Debatte, sie hat in einer seriösen Debatte nicht zu suchen. Und um die Nazi-Keule geht es; wir hätten diese auch kritisiert, wenn sie gegen einen politischen Gegner geschwungen würde oder andere mehr.