Darf eine Zeitung das Bild eines rasenden Politikers drucken? Ramelows Blitzerfoto und Quietsche-Enten

Geschrieben am 15. November 2014 von Paul-Josef Raue.

Ein Leser der Thüringer Allgemeine fragt zum „Blitzerstreit des B.R.“, gemeint ist Bodo Ramelow, der erster Ministerpräsident der Linken in Deutschland werden will: „Der Abdruck des Blitzerfotos ist gesetzwidrig, er verletzt das hohe Gut des Persönlichkeitsrechtes – warum dazu kein Hinweis?“ Der Leser bezieht sich auf Berichte und Fotos, zuerst der Bildzeitung, über Bodo Ramelow, der zu schnell gefahren sein soll, wie ein Blitzerfoto beweise (was von ihm bestritten wird: Erst akzeptierte er den Bußgeldbescheid nicht, aber zahlte dann laut eigener Angabe doch, nachdem der Fall ans Amtsgericht weitergeleitet und öffentlich diskutiert worden war).

Auch die Thüringer Allgemeine und der FAZ berichteten ausführlich, FAZ und Bild sogar mit Angabe des Kennzeichens von Ramelows Wagen.

Der Chefredakteur antwortet in seiner Samstags-Kolumne „Leser fragen“ auf der Leserseite:

Es gibt in der Tat ein Recht am eigenen Bild. Doch gibt es auch eine Reihe von Ausnahmen – vor allem für Bürger, die gewählt sind als Vertreter des Volks, für Bürger, die berühmt sind und die sich in der Öffentlichkeit stolz präsentieren.

Blitzerfotos waren sogar Gegenstand einer Klage beim Bundesverfassungsgerichts, das entschied: Sie sind erlaubt, denn sie werden auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet und sind jedermann wahrnehmbar – und schließlich gehe es um die Sicherheit im Straßenverkehr, die eine Einschränkung der „grundrechtlichen Freiheiten“ erlaubt.

Vor allem Politiker, die von den Bürgern als Vorbild gesehen werden, müssen akzeptieren, dass sie im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Bodo Ramelow nennt dies in einer Facebook-Nachricht sinngemäß: Die Presse spiele mit Quietsche-Enten. Selbst eine Politikerin wie Heidi Simonis, die abgewählt war, musste ertragen, dass sie beim Einkaufen fotografiert wurde. Der Bundesgerichtshof entschied: Die Bürger dürfen erfahren, wie sich ein Politiker verhalte – gerade in spektakulären Situationen. Er könne sich “nicht ohne Weiteres der Berichterstattung unter Berufung auf seine Privatheit entziehen“.

Und dass sich Bodo Ramelow in einer spektakulären Situation befindet, dürfte selbst bei ihm unstrittig sein, wie sein persönliches Engagement in den sozialen Netzwerken beweist.

Zudem: Wen sollte ein Reporter nach der Zustimmung zur Veröffentlichung des Blitzerfotos fragen, wenn unklar ist, wer überhaupt auf dem Foto abgebildet ist?

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Thüringer Allgemeine, Kolumne „Leser fragen“ 15. November 2014 (hier erweitert)

Quellen: Bild 6.11. „Wird hier Thüringens neuer Landeschef geblitzt?“ und FAZ 7.11. von Claus Peter Müller „Zur Akteneinsicht gebracht“

2 Kommentare

  • Lieber Kollege Raue,
    dieser Text ist in sich widersprüchlich und inkonsistent. Zum Einen weiß der abdruckende Journalist genau, wessen Blitzer-Foto er da abdruckt, weil es ja nur interessant ist, weil Bodo Ramelow zu schnell gefahren sein soll. Zum Anderen will er nicht wissen, wen er wegen einer Veröffentlichung fragen soll?
    Das klingt doch sehr konstruiert.
    Politiker sind „Personen des Zeitgeschehens“ und müssen sich die Berichterstattung gefallen lassen über alles, was sie in der Öffentlichkeit tun. Das gilt auch für Fotos, die auf Straßen entstanden sind.
    Allerdings darf die Polizei keine Blitzerfotos herausgeben, die von Radarkameras erstellt worden sind. Sollte es sich bei dem veröffentlichten Foto um ein Bild handeln, das die Polizei oder eine Straßenverkehrsbehörde aufgenommen hat, so wäre dessen Weitergabe ein Rechtsbruch und strafbar.
    fjh

    • Lieber Herr Hanke,

      nicht der Text ist widersprüchlich, sondern die Wirklichkeit: Genau weiß keiner, wer auf dem Foto zu sehen ist. Ramelow sagt, er könne sich nicht erinnern und fragt seinen Kalender; danach war er auf dem Weg nach Wien und nicht in Weimar. War vielleicht ein Doppelgänger in Ramelows Wagen. Tja, Politiker und die Erinnerung.

      2. Politiker müssen sich nicht jede Veröffentlichung in der Öffentlichkeit gefallen lassen, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Caroline-Urteil bestimmte – siehe Handbuch S. 295 im Presserechts-Kapitel.

      3. Ob die Polizei Blitzerfotos herausgeben darf, ist für einen Journalisten nicht wichtig. Wichtig ist, ob er sie drucken darf. Die meisten Affären und Skandale sind öffentlich geworden, weil Zeitgenossen weder Strafe noch Rechtsbruch fürchteten – aus welchen Motiven auch immer. Für Journalisten ist nicht entscheidend, ob sie es aus niedrigen Beweggründen machen, sondern ob die Fakten stimmen.

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