Ein TV-Interview – als abschreckendes Beispiel für Volontäre: Ramelow und die Eier

Geschrieben am 4. Februar 2015 von Paul-Josef Raue.

Herzlich Willkommen in der Serie „Thüringens Minister“ und heute heißt es Thüringer Ministerpräsident. Herzlich Willkommen Bodo Ramelow!

Heute früh musste ich intensiv an Sie denken, als ich ein Rührei gemacht habe. Ich schlug die Eierpackung auf und da war ein großes Ei drin. Das war fast doppelt so groß wie die anderen, und da habe ich mich ganz arg erschrocken und habe gedacht: Das kann ich jetzt nicht essen. Dann habe ich gedacht: Warum eigentlich nicht? Warum müssen wir denn genormt sein? Da habe ich es mutig aufgeschlagen, und da war die Doppelpower drin, nämlich zwei Eidotter. Da dachte ich, es ist ein bisschen wie Bodo Ramelow.

So beginnt ein Interview im Weimarer Lokalsender Salve TV: Geschäftsführerin Judith Noll hat Ministerpräsident Ramelow zu Gast. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der deutschen Medienanstalten, empfiehlt die Interviews des Senders in die Journalistenausbildung zu integrieren – als abschreckendes Beispiel für Hofberichterstattung statt Staatsferne.

Bei Salve TV kommt etwa in der zweiwöchentlichen Sendung „Ramelow & Co“ der Ministerpräsident ausführlich zu Wort. Brautmeier: „Die Öffentlichkeitsarbeit der Politik und der Parteien darf nicht vermischt werden mit der journalistischen Arbeit der unabhängigen Medien.“ So erweise man auch der Politik eher einen Bärendienst. Und bei den Zuschauern werde der Eindruck erweckt, Journalisten und Politiker würden miteinander kungeln. „Dabei haben Journalisten als vierte Gewalt die wichtige Aufgabe, Politik zu kontrollieren.“

Das Rühr-Ei-Interview nahm der Moderator Oliver Welke auch auszugsweise in seine Heute Show beim ZDF und kommentierte: „Ich habe schon viele verstörende Interview-Anfänge gesehen, aber das schlägt alles.“

„Sie wollen aber nicht sagen, dass Sie mich aufschlagen wollen?“ reagiert Bodo Ramelow auf den Rührei-Beginn der Journalistin. So geht das Interview weiter:

Noll: Ich will Sie auch nicht essen, und ich finde sie auch nicht Ihh, aber ich weiß, dass Sie sich mit Hühnern auskennen.
Ramelow: Ich bin gelernter Lebensmittelkaufmann und könnte jetzt anmerken, dass das, was sie in der Packung gefunden haben. nicht den Handelsklassen entsprochen hat, weil es kann immer nur in einer Handelsklassenpackung immer die gleiche Größe nur drin sein. Wenn müsste man eine Doppelhandelsklasse extra ausweisen, oder Sie haben bei einem Bauer gekauft, das wäre ja sehr lobenswert, auf dem Markt – und dann haben Sie von Freilandhühnern die Eier gekauft und dann hoffe ich, dass es auch besonders gut geschmeckt hat.
Noll: Auf jeden Fall habe ich jetzt die doppelte Portion Ei.

Ramelow erzählt von seiner Ausbildung bei Karstadt und scherzt mit der Moderatorin: „Sie erinnern sich gut an Dinge, die ich irgendwann mal erzählt habe aus meinem Leben – das war fahrlässig. Ich hätte Ihnen das nicht erzählen sollen.“ Daraufhin entgegnet die Moderatorin:

„Ich weiß auch, dass irgendwo eine Narbe an Ihrer Hand ist. Aber jetzt müssen wir aufpassen, sonst heißt es: Frau Noll kennt Herrn Ramelow… Aber wie das kommt, dass es inzwischen verwerflich ist, Sie zu kennen – ich darf mich auch noch erinnern an die Zeit, als Sie hier saßen und sagten: Ich will Ministerpräsident werden. Jetzt sind Sie Ministerpräsident, und für viele wird es immer schärfer.“

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Quelle: Thüringer Allgemeine 4 Februar 2015, Salve TV Mediathek, Heute Show, ZDF-Mediathek

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von Joachim Widmann (4. Februar um 10:29)

Die offene Unterwürfigkeit und Kumpelei ist einerseits unerträglich, andererseits aber auch so etwas wie ein Transparenzhinweis. Die Interviewerin versucht ja nicht einmal, es Journalismus ähnlich sehen zu lassen. Dass gerade Regionalmedien sich in Interviews mit Spitzenpolitikern aus oder in ihrer Region als Stichwortgeber für Verlautbarungen verstehen oder sich mangels Recherche gewissermaßen versehentlich als solche verhalten, ist ja leider insgesamt keine Seltenheit.

Alexander Will, 4. Februar um 10:54

Ich bin fassungslos. Kein Wunder, dass die Leute Journalisten immer stärker als Speichellecker und Dummköpfe wahrnehmen. Man kann’s ihnen manchmal wirklich nicht verübeln…

Joachim Widmann 4. Februar um 10:57

Nein, Herr Will: Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung. Diese Frau repräsentiert nicht „die Journalisten“. Nicht einmal ohne „die“. Sie steht erst eimal nur für sich selbst und die eigene Unterwürfigkeit.

Alexander Will 4. Februar um 10:58

Leider eben in der Öffentlichkeit nicht. Das wird anders wahrgenommen. Es wird uns allen angekreidet, da kann man sich noch so sehr wehren…

1 Kommentar

  • Sie sind die Hinweise auf das TA-Vlog sicherlich schon leid. Aber der Vollständigkeit halber gehört das hierher, wenn der Chefredakteur der TA einen Thüringer Fernsehsender der „Hofberichterstattung“ zeiht.

    Die Videos über den „Alltag“ des damaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus wurden erst nach einem lauten Aufschrei der Thüringer Medienlandschaft um Videos mit Ramelow und Matschie ergänzt.

    http://www.ta-vlog.de/index.php?s=%20&Suche=&AZperson_name=Althaus&AZperson_vorname=

    Damals schrieb man unter Ihrem Vorgänger, Sergej Lochthofen:

    “In einem Gemeinschaftsprojekt wollen Studenten der Bauhaus-Universität Weimar mit der “Thüringer Allgemeine” das erste Videotagebuch eines Ministerpräsidenten erstellen. Mit der Kamera beobachten sie Dieter Althaus in den nächsten Wochen bei mehr oder weniger offiziellen Anlässen”

    Siehe auch dazu den Beitrag der Thüringer Blogzentrale:

    http://www.thueringerblogzentrale.de/2007/07/02/das-videotagebuch-des-ministerprasidenten-althaus/

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