Was ist eine Dreistadt? (Friedhof der Wörter zu einer Minister-Idee)

Geschrieben am 11. April 2013 von Paul-Josef Raue.
Geschrieben am 11. April 2013 von Paul-Josef Raue in Aktuelles, Friedhof der Wörter.

Dirk Reinhardt schreibt im“Ostblock“ der Zeit (4. April 2013):

Vor einigen Monaten habe ich hier im mal Ostblog versucht, das etwas komplizierte, für Außenstehende aber durchaus auch amüsante (Nicht-)Verhältnis zwischen den Städten Erfurt, Jena und Weimar zu beschreiben. Sie erinnern sich vielleicht: Das sind die drei Städte im Zentrum Thüringens, deren Bewohner offiziell nichts miteinander zu tun haben wollen, was sie aber nicht davon abhält, aus beruflichen Gründen oder denen des Freizeit-Vergnügens hin- und herzupendeln…

Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig hat ein Zukunftskonzept für Thüringen vorgelegt, in dem doch allen Ernstes die Rede von der “Drei-Stadt” Erfurt-Weimar-Jena ist. Gemeint ist damit zwar ausdrücklich nicht eine Fusion der drei Städte zu einer Thüringer Superstadt, aber immerhin ein aufeinander abgestimmtes, gemeinsames Planen zum Beispiel in Sachen Nahverkehr oder Wohnungsbau.

Damit könnte diese Region zu einer Art Metropole Thüringens zusammenwachsen, so die Begründung Machnigs oder seiner Referenten (man weiß ja bei Ministern nie so genau, ob sie sich die Konzepte, mit denen sie an die Öffentlichkeit gehen, selbst ausgedacht haben). Also eine Art zweites Ruhrgebiet, wobei das räumliche Zusammenwachsen durch neue Wohngebiete entlang einer imaginären S-Bahn-Linie zwischen den drei Städten erfolgen soll.

Diese Drei-Stadt-Geschichte ist nicht der einzige Vorschlag des Machnigschen Zukunftskonzepts, aber der skurrilste… Na immerhin hat Machnig so für etwas Spaß gesorgt im beschaulichen Thüringen.

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Der „Friedhof der Wörter“ beschäftigt sich auch mit der „Dreistadt“:

Das Glück wird einem Minister nicht jeden Tag gegönnt: Er prägt ein Wort, das selbst der Duden nicht in den deutschen Sprachschatz aufgenommen hat. „Dreistadt“, von Wirtschaftsminister Machnig geprägt, wartet also noch auf die Aufnahme.

Der Minister meint, auch polemische Angriffe abwehrend aus allen möglichen Thüringer Ecken und Kanten: „Dreistadt“ meint doch nur drei Städte.

Hat er Recht? Schauen wir auf ähnliche Wörter, also Verbindungen von „Drei“ und einem Substantiv:

  • Das Dreiblatt, vorzugsweise ein dreiblättriges Kleeblatt: Wer Glück hat und es findet, hat einen Klee mit drei Blättern.
  • Das Dreirad ist ein Rad mit drei Rädern.
  • Der Dreispitz ist ein Hut mit drei Spitzen, also drei Ecken.Dreikönig ist ein Feiertag in Sachsen-Anhalt mit drei Königen, die in der Krippe bleiben.
  • Dreisprung ist eine olympische Disziplin, in der Sieger wird, der hintereinander dreimal ganz weit hüpft.

Wer also „Drei“ mit einem Substantiv verbindet, fügt drei Dinge zusammen – zu einem.

Eine Dreistadt ist also eine Stadt mit drei Stadtteilen. Solch eine „Dreistadt“ erinnert an eine theologische Konstruktion: Die „Dreifaltigkeit“ – also ein Gott in drei Personen. Der Verstand tut sich schwer damit, der Christ muss es einfach glauben.

Ist die „Dreistadt“ vielleicht auch eine theologische Konstruktion?

Thüringer Allgemeine, 8. April 2013

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