Der kurze Frühling des Lokaljournalismus beim „Netzwerk Recherche“
Die Lokaljournalisten sind zahlenmäßig die wohl größte Gruppe unter den Zeitungs-Redakteuren. Beim 13. Jahrestreffen des „Netzwerk Recherche“ am 3. und 4. Juli in Hamburg spielen sie so gut wie keine Rolle. Wenn ich ausreichend recherchiert habe: Gerade mal eine der hundert Veranstaltungen dreht sich um den Lokaljournalisten, gerade mal zwei Referenten unter den zweihundert kommen aus dem Lokalen. Wenn ich richtig rechne: ein Prozent.
Die eine Veranstaltung ist „Lokaler Datenjournalismus“ und wird so angekündigt:
Im Lokalen liegen sie noch, die ungehobenen Datenschätze: Wo sind Polizei und Notärzte am häufigsten unterwegs? Wer zahlt den höchsten Preis fürs Trinkwasser? Und welches Wahllokal verzeichnet das kurioseste Wahlergebnis? Je kleinräumiger sich solche Phänomene zeigen lassen, desto besser können sich auch die Leser im Thema verorten. Zur Hyperlokalität kommt ein weiterer Pluspunkt: Im Regionalen benötigen Datenjournalisten keine bundesweite Datenbasis, um sich ein Thema zu erschließen. Drei von ihnen geben Einblicke in ihre Projekte, Tricks und Tools.
Moderator ist Marco Maas (Datenjournalist, Medienberater, Trainer, OpenDataCity)
Referenten sind Felix Ebert, Christina Norden (Volontärin, Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) und Vanessa Wormer (Online-Redakteurin, Heilbronner Stimme)
Unter den 14 Kategorien der Veranstaltungen, von Auskunftsrecht über Recherche international bis Überwachung, kommt Lokaljournalismus erst gar nicht vor. Im November 2012 hatte das Netzwerk erstmals nicht nur die Nase gerümpft über Journalisten in der Provinz, sondern bei der Süddeutschen einen Kongress organisiert „Lokaljournalismus zwischen Recherche und Regionalstolz“. Das war er dann der kurze Frühling.
In Hamburg sind die Großen, die Berühmten wieder unter sich. Garniert wird die Riege der Stars von TV-Gesichtern wie etwa einer Moderatorin der „Tagesthemen“: Recherchiert eine Moderatorin, die täglich ein Dutzend Sätze brav aufsagt, mehr als 1500 Lokaljournalisten?
Lokaljournalisten: Spart Euch den Besuch in Hamburg und erspart Euch den Hochmut der Verächter der Provinz!
„Verächter der Provinz“, das ist doch Quatsch: Nur weil nicht „Lokaljournalismus“ im Titel steht, bedeutet das ja nicht, dass ein Thema für Lokaljournalisten per se uninteressant ist. Zum Beispiel arbeiten auch Lokaljournalisten mit den Informationsfreiheits- und Presseauskunftsrechten – und könnten es noch viel häufiger tun. Allein dazu gibt zwei Workshops. Ich könnte mühelos weitere Beispiele nennen.
Lieber Herr Raue, ich schätze Ihre Arbeit sehr und respektiere (nicht nur deshalb) Ihren Kommentar. Schade nur, dass Sie zwar die Konferenz zum Lokaljournalismus 2012 in München erwähnen, aber die vielen Veranstaltungen zum gleichen Thema während der Jahrestagung von netzwerk recherche im letzten Jahr ignorieren. Und mir erscheint es wenig attraktiv, jedes Jahr die gleichen Themen zu behandeln. Abgesehen davon: Glauben Sie allen Ernstes, dass Lokaljournalisten an Themen zu Snowdon, Recherchekooperationen, Vernetzung, Verdienstmöglichkeiten usw. kein Interesse haben ? Da habe ich eine andere, bessere Wertschätzung von diesen Kollegen/innen. Und noch etwas: Es gibt sicherlich eine Journalistengruppe, die zahlenmäßig noch stärker ist – die freien Kollegen/innen. Und für die gibt es auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Angebote. Es nützt doch nichts, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Aber es kann ja glücklicherweise jeder selbst entscheiden, ob er nach Hamburg kommen will – oder auch nicht. Für all die, die kommen, kann ich versprechen: Es lohnt sich !